Wir haben uns Wege zum Umwandeln des eigenen Vorstellungslebens und zum Arbeiten an der eigenen Phantasiefähigkeit angeschaut. Indem wir diese Wege gehen, lernen wir Kräfte kennen, die unsere Seele braucht, um überhaupt Lebensfähig zu sein, und durch die wir Furcht ausgleichen können.
Eine weitere Kraft, die wir brauchen, um der Furcht zu entgegnen, ist die Liebe. Phantasie und Liebe gehören zusammen. Ohne Liebe wird die Phantasie leicht zum mentalen Trick. Alle die in diesem Buch angegebenen Übungen erfordern ein Zentrieren der Phantasie nicht nur im Kopf, sondern hauptsächlich in der Herzgegend. Dieses Zentrieren stellt sicher, dass die Seele im Tandem mit der Liebe sich entwickelt. Ohne Phantasie wird die Liebe aber leicht zur verwirrten Sentimentalität.
Liebe und Furcht bilden die großen Gegensätze der Welt. Die Macht der Liebe vermag es sogar, die Erde in die Substanz der Liebe zu verwandeln. Die gesamte Erd- und Menschheitsevolution deutet darauf hin, dass sie durch die ungeheure Macht der Liebe erst in Erfüllung geht; ist die Liebe doch die einzige Macht, die das verheerende Wüten der Furcht bändigen kann. Alle geistigen Traditionen schwingen – bei aller sonstigen Mannigfalt der Unterschiede – in diesem einen Thema zusammen. Die Verwandlung der Erde in einen Planeten der Liebe wird nicht von alleine geschehen. Diese Aufgabe liegt in den Händen der Menschen, denn die Werkzeuge, durch die die Liebe hindurchpulst, sind wir.[1]
Um zu überleben, verlässt sich die Furcht auf unseren Widerwillen, unsere Gefühle auf den Prüfstand zu stellen. Statt unsere Gefühle zu überprüfen, bevorzugen wir oft die vage Sentimentalität, die Effekthascherei oder die Aura des Geheimnisvollen, von denen sie begleitet werden. Wir stellen uns vor, dass wenn wir unsere Gefühle zu genau unter die Lupe nehmen, die Spannung, das Drama aus unserem Leben womöglich verschwinden könnte.
Aber genauso denkbar ist es, das Mysterium des Gefühlslebens zu betreten und von seinen Subtilitäten, von seinen Nuancen, von seinem Reichtum mehr zu entdecken. Das wäre keine Verminderung des Seelenlebens, sondern eine Zunahme desselben. Die Überwindung unseres Widerwillens, die Liebe zu prüfen, ist ein unerlässlicher Schritt zur Eroberung der Furcht.
Die Liebe gehört nicht ganz dem Bereich des Menschlichen an. Wir können sie nicht besitzen, nicht kontrollieren, nicht befehligen. Plato zum Beispiel verstand Liebe als einem zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen befindlichen Reich zugehörig. Die Liebe verbindet uns mit den Göttern. Laut Plato formt Sokrates eine Vorstellung von Eros als ein Daimon, als ein zwischen der spirituellen und der geistigen Welt handelndes Bindeglied. Außer dem Eros, der erotischen Liebe, existieren auch andere Arten von Liebe. Philia, auch seelische Freundschaft genannt, gehört ebenfalls zu den daimonischen Wirklichkeiten der Liebe. Die christliche Perspektive fügte agape, die selbstlose Liebe, hinzu. Wenn man die Liebe als mannigfache daimonische Wesenheiten auffasst, so ist es die Aufgabe der Menschen, die Fähigkeiten auszubilden, die sie zum Gefäß machen, durch welches die Kräfte der Liebe hindurchwirken können.
Der Eros weckt eine körperliche Anziehung in Verbindung mit phantasievoller Entdeckerlust. Die Philia weckt das Gefühl der Intimität, den Bund der Freundschaft. Agape weckt die Neigung, Dinge um anderer Menschen Willen zu tun, ohne Belohnung dafür zu erwarten. In unserer Zeit ist die differenzierte Auffassung dieser Formen von Liebe ausgestorben; sie scheinen uns weiter nichts als intellektuelle Kategorien. Der Furcht ist es gelungen, die Fähigkeit zu verwirren, durch die wir unsere Gefühle klar differenzieren.
Eine Rehabilitierung des Gefühlslebens beginnt mit der Bildung einer neuen Vorstellung der Liebe. Anstatt nur die drei klassischen Kategorien der Liebe zu sehen, befähigt uns eine solche neue Vorstellung, ein vierfaches Funktionieren der Liebe zu sehen: als Sexualliebe, als emotionale Liebe, als geistige Liebe und als schöpferische Liebe. Diese vier Funktionsweisen sind allerdings mit den klassischen Kategorien eng verbunden. Wir können uns das so denken: Zu gegenwärtiger Zeit offenbart sich Eros einmal als geschlechtliche Liebe, aber in anderer Weise auch als emotionale Liebe. Philia zeigt sich anders, als die emotionale Liebe. Sie offenbart sich nämlich sowohl als emotionale Liebe wie auch als geistige Liebe. Und Agape offenbart sich als geistige Liebe, aber auch als schöpferische Liebe.
[1] Rudolf Steiner, Die Liebe und ihre Bedeutung in der Welt. Vortrag in Zürich am 17. Dezember 1918.
Als Nächstes: Geschlechtliche Liebe
Eine weitere Kraft, die wir brauchen, um der Furcht zu entgegnen, ist die Liebe. Phantasie und Liebe gehören zusammen. Ohne Liebe wird die Phantasie leicht zum mentalen Trick. Alle die in diesem Buch angegebenen Übungen erfordern ein Zentrieren der Phantasie nicht nur im Kopf, sondern hauptsächlich in der Herzgegend. Dieses Zentrieren stellt sicher, dass die Seele im Tandem mit der Liebe sich entwickelt. Ohne Phantasie wird die Liebe aber leicht zur verwirrten Sentimentalität.
Liebe und Furcht bilden die großen Gegensätze der Welt. Die Macht der Liebe vermag es sogar, die Erde in die Substanz der Liebe zu verwandeln. Die gesamte Erd- und Menschheitsevolution deutet darauf hin, dass sie durch die ungeheure Macht der Liebe erst in Erfüllung geht; ist die Liebe doch die einzige Macht, die das verheerende Wüten der Furcht bändigen kann. Alle geistigen Traditionen schwingen – bei aller sonstigen Mannigfalt der Unterschiede – in diesem einen Thema zusammen. Die Verwandlung der Erde in einen Planeten der Liebe wird nicht von alleine geschehen. Diese Aufgabe liegt in den Händen der Menschen, denn die Werkzeuge, durch die die Liebe hindurchpulst, sind wir.[1]
Um zu überleben, verlässt sich die Furcht auf unseren Widerwillen, unsere Gefühle auf den Prüfstand zu stellen. Statt unsere Gefühle zu überprüfen, bevorzugen wir oft die vage Sentimentalität, die Effekthascherei oder die Aura des Geheimnisvollen, von denen sie begleitet werden. Wir stellen uns vor, dass wenn wir unsere Gefühle zu genau unter die Lupe nehmen, die Spannung, das Drama aus unserem Leben womöglich verschwinden könnte.
Aber genauso denkbar ist es, das Mysterium des Gefühlslebens zu betreten und von seinen Subtilitäten, von seinen Nuancen, von seinem Reichtum mehr zu entdecken. Das wäre keine Verminderung des Seelenlebens, sondern eine Zunahme desselben. Die Überwindung unseres Widerwillens, die Liebe zu prüfen, ist ein unerlässlicher Schritt zur Eroberung der Furcht.
Die Liebe gehört nicht ganz dem Bereich des Menschlichen an. Wir können sie nicht besitzen, nicht kontrollieren, nicht befehligen. Plato zum Beispiel verstand Liebe als einem zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen befindlichen Reich zugehörig. Die Liebe verbindet uns mit den Göttern. Laut Plato formt Sokrates eine Vorstellung von Eros als ein Daimon, als ein zwischen der spirituellen und der geistigen Welt handelndes Bindeglied. Außer dem Eros, der erotischen Liebe, existieren auch andere Arten von Liebe. Philia, auch seelische Freundschaft genannt, gehört ebenfalls zu den daimonischen Wirklichkeiten der Liebe. Die christliche Perspektive fügte agape, die selbstlose Liebe, hinzu. Wenn man die Liebe als mannigfache daimonische Wesenheiten auffasst, so ist es die Aufgabe der Menschen, die Fähigkeiten auszubilden, die sie zum Gefäß machen, durch welches die Kräfte der Liebe hindurchwirken können.
Der Eros weckt eine körperliche Anziehung in Verbindung mit phantasievoller Entdeckerlust. Die Philia weckt das Gefühl der Intimität, den Bund der Freundschaft. Agape weckt die Neigung, Dinge um anderer Menschen Willen zu tun, ohne Belohnung dafür zu erwarten. In unserer Zeit ist die differenzierte Auffassung dieser Formen von Liebe ausgestorben; sie scheinen uns weiter nichts als intellektuelle Kategorien. Der Furcht ist es gelungen, die Fähigkeit zu verwirren, durch die wir unsere Gefühle klar differenzieren.
Eine Rehabilitierung des Gefühlslebens beginnt mit der Bildung einer neuen Vorstellung der Liebe. Anstatt nur die drei klassischen Kategorien der Liebe zu sehen, befähigt uns eine solche neue Vorstellung, ein vierfaches Funktionieren der Liebe zu sehen: als Sexualliebe, als emotionale Liebe, als geistige Liebe und als schöpferische Liebe. Diese vier Funktionsweisen sind allerdings mit den klassischen Kategorien eng verbunden. Wir können uns das so denken: Zu gegenwärtiger Zeit offenbart sich Eros einmal als geschlechtliche Liebe, aber in anderer Weise auch als emotionale Liebe. Philia zeigt sich anders, als die emotionale Liebe. Sie offenbart sich nämlich sowohl als emotionale Liebe wie auch als geistige Liebe. Und Agape offenbart sich als geistige Liebe, aber auch als schöpferische Liebe.
[1] Rudolf Steiner, Die Liebe und ihre Bedeutung in der Welt. Vortrag in Zürich am 17. Dezember 1918.
Als Nächstes: Geschlechtliche Liebe