Ruhe. Ganzheit als Mysterium
Robert Sardello, Cheryl Sanders-Sardello
Kapitel VII. Freiraum schaffen für die Ruhe
Robert Sardello, Cheryl Sanders-Sardello
Kapitel VII. Freiraum schaffen für die Ruhe
Poetischer Auftakt
Der Pfad führt zu einem Ort, an dem die Wesenhaftigkeit so stark zu spüren ist, dass man nur noch flüstern kann. Dann hören wir innerhalb von Sekunden mit Reden ganz auf, da die Wesenhaftigkeit so dicht ist, dass nur noch das Zuhören geht. Sorgfältig, damit die Materie, auf die wir treten, ihre Natur und Substanz nicht offenbaren darf, federn wir unsere Füße bis auf die Sanftheit eines Kätzchens ab, und heben aus ihnen mit jedem Tritt die Schwere heraus. Ah, da ist sie: die Wesenheit, in deren Reich wir übergegangen sind. Nicht die majestätischen Bäume, nicht die zwitschernden Geschöpfe, nicht der passive Moos ist es. Hier wohnen sie zwar, aber sie sind nicht der Grund, weshalb wir unseren Atem so sehr verlangsamen, dass wir fast nur noch nach Luft schnappen. Wir wissen, dass wir uns den Gesetzen dieses Ortes ganz und gar übergeben müssen. Hier zu sein erfordert unsere Aufmerksamkeit, unser Lauschen, unser tief dringendes Schauen, ohne dass wir jeden Gegenstand mit einer Schlussfolgerung anfallen. Die Ruhe hier ist nicht nur in dem „bisher Gewesenen“ zu finden; sie befindet sich auch in einer kostbaren Haltung des Wartens, des Harrens, in dem „noch Kommenden“. Alle Bewegung innerhalb der Ruhe ist auf etwas hin, ist nicht von etwas hinweg. Dringe immer in die wartende, alle Möglichkeit bergende Ruhe hinein. Ignoriere sie auf eigene Gefahr, denn sonst ist das Leben bloß eine Täuschung, die darauf wartet, enttäuscht zu werden. Beim Eintreten in den Mammutbaumwald werden wir von der Ehrfurcht erfasst, welche die Ruhe einer geheimnisvollen Wesenhaftigkeit verströmt. Cheryl Sanders-Sardello |
Kapitel VII. Freiraum schaffen für die Ruhe
Um ein ausgedehnteres Leben in der Ruhe zu ermöglichen kann es helfen, sich eine Praxis anzueignen, durch die man sich innerlich einen Freiraum schafft. Das ist deshalb sehr zu empfehlen, weil die Ruhe die Tätigkeit spiritueller Wesenheiten ist und weil in der Ruhe keine Todeskräfte vorhanden sind. So kommt es, dass die Ruhe Leben-erneuernd und heilend ist. In unserem alltäglichen Leben nehmen wir allerdings permanent Todeskräfte auf, welche in allem zu finden sind, was schon vorgefertigt ist, was uns in fertigem Zustand dargeboten wird und von uns nur noch konsumiert zu werden braucht. In der Bildung, in der Religion, in den Medien, in der Arbeit, in industriell erzeugten Waren – in fast allem, womit wir sonst zu tun haben: Wir sind eindeutig in Todeskräften komplett eingetaucht. Das schon Fertige, uns Bekannte, das uns geliefert wird, tötet die Seele ab und verschleiert uns die Lebendigkeit der Ruhe. Wir fühlen uns ständig bedrängt dadurch, dass uns schon Bekanntes in ansprechenden Verpackungen, aber auch in solchen Verpackungen zugeführt wird, die mit Furcht gefüllt sind. Es gibt allerdings auch einen weiteren, noch raffinierteren Quell der Todeskräfte: sogar unsere eigenen Emotionen sind nämlich mit Todeskräften durchsetzt, solange wir das Leben unserer Emotionen nicht voll in die Ruhe eintauchen und es in dieser Weise in ein Gefühlsleben verwandeln. Was die Lebendigkeit hemmt, die unseren Emotionen innewohnt, das ist so schwer zu verstehen, als überhaupt zu erfahren. Zwar ist es uns, als gäbe es nicht genug Emotion in der Welt, aber wenn wir das betrachten, was die Welt beherrscht, so sehen wir, dass es eben ungezügelte Emotion in Kombination mit abstrakter Schlauheit ist. Weiterlesen in Ruhe K. VII |