Ruhe. Ganzheit als Mysterium
Robert Sardello, Cheryl Sanders-Sardello
Kapitel III. Eintritt in die Ruhe
Robert Sardello, Cheryl Sanders-Sardello
Kapitel III. Eintritt in die Ruhe
Poetischer Auftakt
Massiver Irrgarten eines Gebäudes, fort- und fortlaufen in labyrinthischer Richtung, die gar keine Richtung ist außer insofern, als ich mich weiter in eben die Richtung vorwärtsbewege, der mein Gesicht zugekehrt ist. Nicht eigentlich verloren; nur so, wie wenn man im Halbdunkel umherwandert. Leer ist es hier, und doch weiß ich, dass ich nicht alleine bin. Indem ich Raum nach Raum passiere, sucht die Ruhe schützend, beängstigend, tröstend mich heim. Nicht nur das Dunkel, die Fremdheit, die schleichenden Spinnweben oder die bedrohlichen verschlossenen Türen sind es … es ist die verwünschte Ruhe selbst, die sich weder überfallen noch akzeptieren lässt. Soll ich sie bei mir verharren lassen, bin ich ihr gepeinigter Sklave; breche ich schallend in sie ein, so werde ich zum ertappten und aufgefundenen Eindringling – entdeckt, entlarvt, allen verborgenen Dämonen ausgeliefert, die sie dann entfesseln könnte. Kann ich mich ihnen stellen? Sie besiegen? An einem genügend sicheren Ort mich verstecken, der mir Schutz bietet? In der Ruhe gibt es keine Antworten … horchen … ich spanne jeden Faser meiner Augen und Ohren, meines Geruchs-, meines Geschmackssinnes an … die Stille rührt mich an und drückt sich mir so in die Brust hinein, dass ich kaum Luft bekomme. Im Augenblick des bewusstlos-Werdens durchdringt die Stille mir die Haut und geht in die Ganzheit meines Leibes über … Oh! Ahhhh … so ist es also! Natürlich gibt es in der Ruhe keine Antwort … die Antwort ist die Ruhe. In diesem Augenblick der Begegnung erwache und vergesse ich. Cheryl Sanders Sardello |
Eintritt in die Ruhe
Wir können das Reich der Ruhe finden. Wir können Praktiken lernen, dieses Reich zu betreten und die vielen ineinander übergehenden Strömungen seiner Landschaft zu erleben. Den Eintritt in die Ruhe zu pflegen ist weder ausschließlich eine Arbeit der Seele noch ein ausschließlich geistiges Arbeiten: Es geht dabei um eine Arbeit der verkörperten Geist-Seele, um den ganzen Menschen. Es hilft uns nicht sehr viel, mit bekannten Seelenpraktiken zu arbeiten wie etwa der aktiven Imagination, inneren Bildern und Träumen. Es hilft auch nicht sehr, in traditioneller Weise mit spirituellen Praktiken zu arbeiten wie etwa Konzentration, Meditation, Kontemplation. Zwar setzen sowohl seelische als auch geistige Praktiken die Gegenwart der Ruhe voraus und beziehen diese mit ein, aber beide beschäftigen sich mit dem, was innerhalb der Ruhe vor sich geht, anstatt sich auf das Medium selbst zu konzentrieren. Ein weiterer Faktor spielt mit hinein: Ruhe wird leiblich erlebt. Wir empfinden die Gegenwart der Ruhe, und nachdem wir einige Zeit mit ihr zusammen waren, stellen wir deutliche Veränderungen in unserem Leib fest, die zu unserem Vermögen beitragen, in die Ruhe einzutreten und uns in ihr aufzuhalten. So bildet die Übung in die Ruhe zu treten selbst das Instrument, welches uns den Zugang zur Ruhe verschafft. Wenn wir die Ruhe nicht über die leibliche Empfindung zu betreten suchen, so werden wir sie mit Sicherheit als persönliche Zurückgezogenheit aufsuchen, oder als eine seelische Realität im Innern, oder als eine spirituelle Privaterfahrung, die mit der Welt nichts zu tun hat. Weiterlesen in Ruhe K. III |