Ruhe. Ganzheit als Mysterium
Robert Sardello, Cheryl Sanders-Sardello
Kapitel II. Die Hüter der Ruhe
Robert Sardello, Cheryl Sanders-Sardello
Kapitel II. Die Hüter der Ruhe
Poetischer Auftakt von Cheryl Sanders-Sardello
Ja, eben dort kann ich hinaustreten und mich innerhalb deines Trostes aufhalten – indem ich mich in die Arme des Schutzes hineinbegebe, in das umschlossen-Sein von der Geborgenheit. Dort harrest du meiner; es besteht niemals Zweifel, dass du da bist. Chaos mag mir die Gedanken ausfüllen; es können mir viele fremdartige gestalten das Herz trüben. Und doch weiß ich seit sehr jungem Alter, dass ich an diesem deinem Ort neu gefunden, neu gebildet, wieder hergestellt werden kann. Das Wissen, dass ich mich zu jeder Zeit dorthin begeben kann, war mir schon immer eine Hilfe; allerdings machte mir dies den Schmerz nicht weniger überhaupt; sondern nur weniger mächtig. Zunächst kam es mir vor, als könnte ich dich schwach anwesend hören in der gähnend leeren Ganzheit. Später wusste ich, dass es deine Berührung ist, was ich höre, und vom Ort unendlicher Beziehungen her hörte ich alles, was ohne Worte gesagt wird. Wenn niemand redet, vergrößert sich die Möglichkeit, dass alles zu hören ist, was jemals ausgesprochen wurde. Auch dann, wenn das Unausgesprochene am profundesten ist, höre ich dennoch den Wink aller Ruhe und bin rasch zur Stelle, unter die Hingegebenen gezählt zu werden. Psssst … wir können die Ruhe nicht hören, wenn wir alle danach drängen, uns ihres Schatzes zu bemächtigen; wo die allerwenigsten um ihre Existenz besorgt sind. Sie ist wie das Loch in der Ozonschicht, wie der Treibhauseffekt und das Aussterben der Frösche. Wir glauben nicht daran, dass die Gefahr reell ist. Wir haben nicht das Vertrauen, dass es überhaupt etwas gibt, was verloren gehen könnte. Und gibt es denn etwas zu verlieren? Selbstverständlich. Es geht um den einzigen Weg, der uns noch bleibt. |
Kapitel II. Die Hüter der Ruhe
Ruhe ist ein reicher Quell. Aus ihr können wir eine neuartige Klarheit und zugleich eine innige Intimität schöpfen, in deren Licht, in deren Wärme wir nicht nur uns selbst, sondern die ganze Schöpfung empfinden können. Warum also pflegen wir nicht alle einfach der Ruhe? Sowohl der Lärm unserer Gedanken und Gefühle und Vorstellungen, als auch die äußere Welt der Anti-Ruhe hält uns davon zurück, dieser Grenze auch nur nahe zu kommen. Allein schon der Versuch unsererseits uns ihr zu nähern beschwört in uns Angst, Schrecken, Furcht, Versuchung, Ablenkung, Schwärmerei, sogar auch ein sonderbares Gefühl, als würden wir attackiert, herauf. Henri Nouwen nennt Ruhe „den Ofen der Verwandlung“. Hier also ist das Problem… und die Herausforderung. Es geht nicht, Ruhe einfach zu finden und zu genießen. Es geht nicht an, die Ruhe dem bloß aufzupfropfen, der wir sind, als wäre sie ein neues Kleidungsstück. Sie verändert uns durch und durch. Auf immer. Und so kokettieren wir mit ihr zwar, aber wir halten davon zurück, zu ihrem Diener zu werden. Insofern als wir die Stille vermeiden, vermeiden wir es, uns selbst in spirituelle Diener zu verwandeln dadurch, dass wir uns befreien aus dem bedrückenden Zustand des Verstricktseins mit uns selbst und mit den dringenden Angelegenheiten der Welt. Auf zweierlei Weise können wir die vielen ablenkenden Kräfte betrachten, die uns von der Ruhe abhalten. Die eine Weise ist, diese Kräfte so zu sehen, wie sie in der spirituellen Tradition schon immer gesehen wurden – nämlich als Wesenheiten, deren Anliegen es ist, uns in das Chaos und in irdische Begierden hineinzuziehen und uns in unserem eigenen Egoismus gefangen zu setzen. Die andere Weise ist, eben diese Kräfte als Hüter des Reiches der Ruhe gelten zu lassen, als Wesenheiten, deren Anliegen es ist, uns vor dem Zugang zu diesem Reich, es sei denn wir haben innerlich seelisch soweit an uns gearbeitet, dass wir es schaffen diesen Zugang nicht für unsere eigenen egoistischen Bedürfnisse zu beanspruchen. Weiterlesen in Ruhe K. 2 |