Terrorismus, Zeitkollaps und Wut: Neue Erscheinungsformen der Angst
Damit die Seele erhalten werden kann, ist Lebendigkeit der Sinne unerlässlich. Solche Lebendigkeit verleiht dem Vorstellungsleben die Fähigkeit, in die Welt hineinzustrahlen. Wird aber einmal die Empfindsamkeit des Leibes erweckt, so werden wir ebenfalls empfindsamer für die unterschiedlichen Muster, in denen die Angst manifestiert. Mit diesen verschiedenen Erscheinungsformen der Angst müssen wir es dann aufnehmen. Solche Muster erschaffen wir nicht selbst, sondern wir sind mit dem verbunden, was die Tiefenpsychologie als die Regionen der Urbilder bezeichnen würde (die wir allerdings erst durch besagte gesteigerte Empfindsamkeit entdecken). Mit diesen Regionen wiederum muss in je unterschiedlicher Weise gearbeitet werden. Um diesen verschiedenen Mustern zu begegnen und in gesunder Weise auf sie einzugehen, müssen wir uns eine klare Vorstellung der vielen einzelnen Regionen der Angst bilden.
Bevor man nicht eine gründliche Vorstellung von etwas gebildet hat, kann man sich daran nicht beteiligen. Wenn wir so an die Angst herangehen, dass wir ausschließlich durch äußere Maßnahmen sie aufzuhalten versuchen, bringen wir das falsche Werkzeug in Anschlag. Die wirkliche Macht der Angst wohnt unserem Wunsch inne, sie zu vermeiden; das Ergebnis einer solchen Verdrängung ist, dass die Angst sich unser erst dann gänzlich bemächtigt.
Die erste Fähigkeit, die wir in uns zur Entfaltung bringen müssen, ist die tief empfundene Erkenntnis, dass diese Verderberin Angst auch die große Erweckerin ist. Wir werden es zu nichts bringen, wenn wir nicht als Allererstes unsere Ängste, die Erscheinungsformen der eigenen Angst, wertschätzen lernen. Das soll nicht heißen, dass wir sie zu uns hereinbitten, sondern dass wir sie als schon vorhanden begreifen sollen, dass sie uns vollkommen umgeben und ständig auf uns einwirken – manche in höherem, manche in geringerem Grad. Wenn wir die Angst als reelle Präsenz akzeptieren und nicht bloß als subjektive Reaktion auf etwas, das wir für eine Bedrohung unseres Wohlseins halten, so treten wir über die am Rande der Sicherheit und der Behaglichkeit liegende Schwelle. Haben wir diese Schwelle einmal überschritten, so müssen wir weitergehen und gesunde Arbeitsweisen finden, um die in uns befindliche Anwesenheit der Angst auszugleichen.
Angenommen etwa ein Kind erwacht mitten in der Nacht und muss laut weinen. Die Mutter steht auf und geht zu ihrem Kind hinein. Das Kind erzählt ihr unter Tränen, dass sich ein grinsendes, lilafarbenes Männchen in der Kleiderkammer versteckt hält und es anfassen möchte. Jetzt erwidert die Mutter, das könne nicht sein, das sei sicher nur ein böser Traum. Sie bietet in dieser Weise der Angst einen Angriffspunkt um sich zu verstärken. Nimmt sie dahingegen einen Besen in die Hand, öffnet die Tür zur Kleiderkammer und fegt das Gespenst hinaus, würde das nicht die Angst des Kindes vermindern? Wenn wir die Angst als etwas Reelles akzeptieren – auch als eine Realität der Vorstellung – wird sie zu etwas, was mehr ist als eine bloß subjektive Reaktion, und dann können wir uns daran begeben, in gesunder Weise Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Man lässt im zweiten Fall nicht das Kind im Glauben hängen, dass nichts getan werden könne bzw. dass die Angst nicht echt sei. Vielmehr wertschätzt man die Angst und verarbeitet sie. Aus der Perspektive der Seele sind die Dinge in der Welt, die man für die Ursachen von Angst hält, keine Ursachen, sondern Offenbarungen von ihr – Offenbarungen der Angst, wie sie sich in der Welt zeigt.
Die Seele in ihren tiefsten Tiefen unterscheidet nicht zwischen „reell“ und „subjektiv“. Es ist müßig, sie darin unterweisen zu wollen, eine solche Unterscheidung zu machen. Der bewusste Teil unseres Seins muss umgekehrt die Gesetze unserer Seelennatur und deren Funktionsweise respektieren und einen ihr gemäßen Umgang pflegen. Betrachten wir nun aus dem Blickwinkel der Seele einige der neuen Realitäten der Angst, auf die wir in unserem alltäglichen Leben treffen. Zwar scheinen diese so ungeheuer groß, dass es schwer zu verstehen ist, was wir als Einzelmenschen gegen sie ausrichten können: Gegen Krieg, Kriminalität, Umweltverschmutzung, Seuchen können wir direkt nichts bewirken. Wohl können wir aber an der Art und Weise arbeiten, wie unsere Seele solchen Angstbaren Dingen begegnet. Die Seele lässt sich auf diese Dinge ein und hat diverse, in uns lebende Eindrücke von ihnen. Mein Anliegen ist es, zu zeigen, dass eine neue Richtung seelischen Arbeitens es vermag, in uns selbst und in der Welt tatsächliche Veränderungen herbeizuführen.
Terrorismus
Wir konfrontieren täglich Berichte von terroristischen Attacken über die ganze Welt hin. In den letzten Jahrzehnten haben wir mitbekommen, wie kommerzielle Flugzeuge in die Luft gesprengt wurden, wie Giftgas in der U-Bahn freigelassen wurde, wie Regierungsgebäude zerbombt, das WTC zerstört, ein Reisezug von einer Eisenbahnbrücke in die Tiefe geschickt wurde, wie Bombenpakete mit der Post verschickt wurden, wie Massenentführungen verübt und Enthauptungen vor laufendem Kamera zur Schau gestellt wurden. Zu Beginn schien es, als könne dem Terrorismus auf äußerliche Feinde, radikale Gruppen in fremden Ländern schieben; mit Entsetzen mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass auch unsere eigenen Nachbarn zu den Tätern gezählt werden können. Beim Terrorismus verstärkt sich die Angst um das Tausendfache. Angst wird zur verhandelbaren Ware, die man importiert und exportiert, die man egal wohin transportiert; sie wird zu einem dingfesten Gegenstand, die keine Grenzen kennt noch respektiert. Sie kann jedem von uns um jede Ecke lauern, geduckt, uns ohne jede Vorwarnung anzuspringen.
Die Schutzmaßnahmen, die wir gegen diese Art der Angst ergreifen, tragen selbst zum Prozess der Entmenschlichung bei. Uns werden Wachposten in Flughäfen, in Gerichtsgebäuden, in Schulen, bei Sportveranstaltungen zugemutet. Videokameras überwachen uns in jeder Bank, im Einkaufsladen, auf dem Parkplatz. Zwar sind sie zu unserem Schutz da, und dennoch machen sie uns zu Gegenständen und bewirken dadurch eine Zusammenziehung der Seele. Sie machen uns alle gemeiner, paranoider, argwöhnischer.
In solchem Ausmaß wird Terrorismus zum Gott – unsichtbar, allmächtig, ein großer, gewaltiger Bestrafer, der Herr des Todes selbst. Um in solcher Weise den Tod walten zu lassen, geht der Terrorist sogar soweit, das eigene Wesen mit dem Tod zu vermählen. Er fürchtet sich nicht mehr vor dem Tod und könnte die Bombe ebensogut an der eigenen Person an den für sie bestimmten Ort befördern, als durch jedes andere Transportmittel. Sein eigenes Leben bedeutet ihm nichts, so bedeutet ihm ebensowenig das Leben eines anderen Menschen etwas.
Wir verbringen unser Leben wie bisher, fahren zur Arbeit hin und nach Hause zurück, jedoch mit einem neuen, andauernden Bewusstsein: Im nächsten Augenblick könnten wir sterben. Zwar ist das Leben in der Tat größtenteils eine Vorbereitung auf den Tod. Aber der Terrorismus bringt nicht nur den Tod zur bewussten Vorstellung, sondern er verknüpft mit ihm Bilder des Entstellt-, des Paralysiert-, des Verkrüppeltseins, vielleicht des Gefangen- und/oder des Gefoltertwerdens. Terrorismus tötet den Sinn dafür, dass wir eine Zukunft oder ein Lebensziel haben. Wenn sich einmal eine Vorstellung der Möglichkeit, so zum Opfer des Terrors zu werden, in unser Seelenleben eingenistet hat, so stumpft sich unser Vermögen ab, mit freudiger Erwartung der Zukunft entgegenzuschauen. Unser Interesse zieht sich – wenn auch kaum merklich – von der Welt zurück; es scheint, als gäbe es nichts Wertvolles mehr zu tun außer für das eigene unmittelbare Wohl beziehungsweise Vergnügen. Die Wirkung des Terrorismus liegt nicht nur darin, Menschen umzubringen, sondern auch an den Seelen von Menschen Mord zu begehen, die nicht direkt beteiligt sind. Er sieht Menschen als Objekte, und so werden wir zu Objekten, auch uns selbst gegenüber.
Der Terror kann keine Uneindeutigkeit, keine Metapher, Fantasie, Kreativität dulden. Terrorismus macht den Tod zu etwas Wortwörtlichem, indem er uns der Kapazität beraubt, uns den Tod als natürliche Kulmination unserer Zeit hier auf Erden vorzustellen.[1] Eine solche Vorstellung verlangt von uns, dass wir das Leben als fortdauerndes Gegenstück zum Tod betrachten. Es ist eine natürliche Neigung von uns, das Leben stets als einen Konflikt mit dem Tode zu empfinden, und wir leben im Vertrauen darauf, dass das Leben immer der Stärkere bleibt. Der Terror kehrt dieses Verhältnis um, indem er den Tod zum Stärkeren, zum Herausragenderen, zu dem macht, der die stärkere Kontrolle hat. Der Terrorist pflegt keine Vorstellung mehr des Lebens als etwas, dem irgendeine Kraft innewohnt. Das Potential bei einem jeden von uns, zum eigenen Terroristen zu werden, findet man im Verlust des Glaubens an das Leben. Wir werfen unsere Hände in die Höhe über die Widerlichkeit eines weiteren terroristischen Zwischenfalls und aus Ratlosigkeit darüber, was dagegen unternommen werden kann. Wir gewöhnen uns an den Anblick von zerbombten, brennenden Gebäuden, von fliehenden, schreienden Menschen, von Blut und leblosen Körpern. Angesichts solcher Bilder fällt es schwer, für die Menschheit Hoffnung zu empfinden.
Die Gegenwart von Terror in der Welt gleicht einem großen Prozess der Kompression. Das Leben mitten unter solchen Bildern des Todes zerfrisst die selbstverständlichsten Formen menschlicher Beziehungen und erzeugt Benommenheit und Isolation. Man wird zum Beispiel darum gebeten, wachsamer zu sein, darauf achtsam, ob jemand ein unbeaufsichtigtes Paket oder Gepäckstück irgendwo hat herumstehen lassen. Man empfindet beim Reisen mit dem Flugzeug oder mit Bus und Bahn einen Stich der Besorgnis. Über die Nachrichten werden inzwischen Terrorismus-Warnungen durchgegeben. Uns wird mitgeteilt, dass wir viel mehr Fälle des internationalen Terrorismus zu erwarten haben. Mir sind Familien bekannt, die davor Angst haben, in dem gleichen Flugzeug zusammen zu reisen.
Diese Art der Angst scheint der grundsätzlichen Aussage zu widersprechen, die ganz am Anfang des Buches gemacht wurde – dass nämlich um von der Angst frei zu werden, man nicht danach trachten soll, sie loszuwerden, sondern innere Fähigkeiten entwickeln muss, um an ihr dranbleiben zu können, was eine allmähliche Verwandlung herbeiführt, und zwar nicht nur in uns, sondern auch in der Welt. Freilich mag es scheinen, als bestünde die beste Lösung im Finden eines direkten Weges, den Terrorismus ein und für allemal auszuschalten. Wollen wir doch immer das abschaffen, was wir nicht mögen. Aber wie bei jeder Art der Angst wäre es auch hier ein Irrtum, wenn man davon ausginge, dass die Eliminierung der nächsten Ursache ein gänzliches Loswerden der Angst selber mit sich brächte. Ein Loswerden des Terrorismus ohne die mit ihm einhergehende Unterströmung des Hasses zu verändern kann nur dazu führen, dass irgendeine andere Angstsame Situation an dessen Stelle tritt – Wie etwa der Entzug menschlicher Freiheit oder das Lebenmüssen in einem Polizeistaat. Gehen wir davon aus, dass eine Bedrohung ohne innere Umwandlung entfernt werden kann, so sehen wir nicht das Phänomen für das, was es ist.
Anstatt zu fragen, wie dieses grässliche Ding zu entfernen ist, könnten wir fragen: Was tut denn diese Angst gegenwärtig in der Welt? Wie können wir sie begreifen, wie ihre Charakterzüge klar ins Auge fassen, damit sie uns nicht weiterhin dominiert? Eine solche Realität hat einen eigenen Willen, der größer und mächtiger ist als jeder Einzelwille. Beim Terroristen handelt es sich um jemanden, der den eigenen persönlichen Willen an etwas weit Umfassenderes abgetreten hat.
Ein Charakterzug dieses unpersönlichen Willens ist der, dass er namenlos ist. Terroristen geben sich selten kund, und wenn sie dies doch tun, so im Namen einer Gruppe. Auch dann, wenn ein spezifischer Terrorist aufgegriffen wird, ist die Persönlichkeit des betreffenden Individuums gleichgültig. Im Allgemeinen ist die Identität der Opfer dem Terroristen ebenfalls egal – Betroffene können gewöhnliche Menschen auf dem Weg zur Arbeit sein, eine U-Bahn im Berufsverkehr oder Passagiere auf einem kommerziellen Flug. Auch das Hauptziel Attentäter des 11. September war das, was sie für die Wesenlosigkeit des US-Amerikanischen Kapitalismus hielten. Das Mittel zum Verüben einer Terrorattacke ist stets den Waffen des Chaos und der Anonymität untergeordnet. Anonymität brütet Gewalt aus. Man sieht sie heraufkochen im Verschmieren von Wänden und wie sie unter der Oberfläche in Schulen schwelt, in denen die Individualität auf der Strecke bleibt. Die Städte, die wir im Namen der Zivilisation bauen, bestehen aus gesichtslosen Gebäuden, eintönigen Einkaufszentren, landesweit identischen Ladenketten.
Da wir in der Massenanonymität leben, stecken wir im Terrorismus schon voll darinnen, und die offene terroristische Handlung macht nur in gewalttätiger Weise das sichtbar, was wir bereits leben. Wenn solche Taten begangen werden, empfinden wir Schock, Entsetzen und Ekel, aber wir beziehen diese Gefühle nicht auf die fortlaufenden Bedingungen unseres Lebens.
Als Beispiel hatte ein Teilnehmer an einer unserer Workshops Folgendes zu sagen im Hinblick auf einen bestimmten Terrorakt:
Der terroristische Bombenanschlag, der an einem Bus in Israel verübt worden war, löste in mir eine emotionale Reaktion aus. Ich sah die Fotos des Anschlags im Fernsehen, und ich weiß noch, wie ich von Schock überwältigt wurde sowie vom körperlichen Gefühl, als wäre ich in den Bauch geschlagen worden und hätte den Atem verloren. Die Sinnlosigkeit des Ganzen, die verschwendeten Menschenleben, die Ungerechtigkeit, die Falschheit, die Verrücktheit der Welt schrien mich an, und ich erinnere mich daran, den Raum verlassen zu haben und spazieren gegangen zu sein. Ich ging etwa eine halbe Stunde und bis ich nach Hause zurückkam war mir das Ereignis aus dem Bewusstsein entschwunden.
Ein weiterer Workshop-Teilnehmer sagt:
Es gibt so viele von diesen Geschehnissen, dass man den Überblick verliert und sie sich alle gleich anfühlen. Derselbe dumpfe Schmerz in jedem Geschehnis. Was kann man da machen? Man hält einfach fest, man lässt nicht zu, dass es einem zusetzt, man lacht sogar darüber hinweg. Die Chancen sind so gering, dass es einen selber treffen könnte, und die Welt fühlt sich heutzutage sowieso mieser an. Erzähle mir mal etwas Neues.
Reaktionen dieser Art sind ganz verständlich. Es gibt nicht viele Menschen, die mit dem fortdauernden Gefühl des Terrors leben können. Hier ein Beispiel eines Menschen, der die Realität des Terrors noch lebhafter erlebt:
Als ich diese Nachricht vom Terroranschlag vernahm, ging mein Körper in einen Schockzustand über: in meinem Falle tritt dabei ein Zustand der Paralyse auf, in dem ich zwar mit meinem alltäglichen Leben fortfahre, aber bei mir in der Brustregion, hinter dem Brustbein, in die Lungen und das Herz hinein, eine Versteifung stattfindet. In diesem Fall empfand ich einen totalen Stillstand, als hätte alles zu funktionieren aufgehört. Es war so, als müsste ich mich an das Atmen, an das Schlucken erinnern, als hätte sich in diesem Teil von mir ein Loch aufgetan. Mir ist in solchem Zustand, als dürfte ich mir das Fühlen nicht zulassen, da es zu gefährlich ist. Wann immer ich in mir das Fühlen dann doch zulasse, fühle ich den unglaublichen Kummer, den Eltern empfinden, wenn ihnen ein Kind stirbt. Ich schwanke hin und her zwischen dem Gefühl von Wut gegenüber dem Mörder und Angst.
Diese Reaktionen auf die Gegenwart von Terrorismus zeigen, wie durch die Gesichtslosigkeit unserer Welt diese zu einem Ort geworden ist, in dem man sich versteckt, um dem schrecklichen Schmerz auszuweichen, der sich daraus ergibt, dass man selber das Leiden eines anderen Menschen zu tief empfindet. Was uns allerdings dabei unbekannt bleibt, das ist, dass indem wir uns in der Anonymität der Welt verstecken, wir selbst zu just der Gesichtslosigkeit beitragen, von der die nihilistische Vorstellung des Terrorismus unterhalten wird. Und genau diese Art der Unterdrückung ist es, die der Angst die beste Gelegenheit bietet, die Seele zu infiltrieren.
Es mag wie eine Überforderung scheinen, den Terrorismus genau ins Zentrum der modernen Zivilisation zu stellen. Was kann ein einzelner Mensch tun angesichts eines Problems von globalem Ausmaß? Einzeln können wir zwar sehr wenig tun, um dem Terrorismus Einhalt zu gebieten. Aber jeder von uns kann mit der Art arbeiten, wie sich die Seele auf den Terror einlässt, den sie selbst produziert. Die Benommenheit, die mit der Tandem-Realität von Terror und Anonymität einhergeht, ist ein Zustand der Seele, nämlich eine Art Abspaltung des Seelenlebens vom Leben des Körpers. Die Folge dieser Art der Abspaltung zeigt sich in den obigen Beispielen. Unser Fühlen stumpft ab, Zynismus herrscht vor, und unser Intellekt arbeitet daran, uns davon zu überzeugen, dass uns der konkrete Terror nicht treffen kann. Bei der eigentlichen Arbeit, die es hier zu verrichten gilt, geht es darum, die Teilnahme der Seele am Leib bewusst aufrechtzuerhalten. Das ist eine andere Arbeit als die, von der das vorherige Kapitel dieses Buches handelt, in dem es hauptsächlich darum geht, der Amnesie der Sinne entgegenzuwirken. Im Falle des Terrors müssen wir eine anders geartete seelische Arbeit ergreifen.
Leib und Seele sind nicht so sehr als zwei grundverschiedene Wesenheiten anzusehen, sondern eher wie zwei Seiten eines Blattes. Der Leib ist der Ausdruck der Seele in der Welt, und wenn der Leib abgestumpft wird, so hat die Seele nur beschränkte Mittel, auf die Welt einzugehen. Man hat es hier mit äußerst subtilen Angelegenheiten zu tun. Woran merkt man, dass das eigene Seelenleben vom Leibesleben mehr oder weniger abgekoppelt worden ist? Der Grad der Verfestigung in unseren Ansichtsweisen ist ein Anhaltspunkt dazu. Bin ich intolerant? Neige ich zum Fanatismus? Bin ich gegen dringend anstehende Veränderungen? Empfinde ich es als Notwendigkeit, mich der Macht der Autorität anzupassen?
Insofern als man solche Charaktereigenschaften in einem selbst feststellt, wird man wahrscheinlich auch in der eigenen Körperhaltung Verfestigungen finden. Der Weg, Flexibilität zur Seele und zum Leib zurückzubringen, ist über den Pfad der Imagination. Wenn man gezielt eine lebendige Vorstellung der subtilen Tätigkeit des Körpers ausbildet, so ist das eine bewusste Durchdringung des Leibes durch die Seele. Bernard Lievegoed etwa, der holländische Unternehmensberater, schlägt eine Reihe imaginativer Vorstellungen vor, bei denen man übend die Aufmerksamkeit auf die Prozesse des Leibes richtet.[2] Der Zweck eines solchen Übens ist es, die Fähigkeit zu entfalten, den eigenen Leib als lebendige Tätigkeit zu erleben anstatt als ein statisches Gebilde oder als eine Zusammensetzung physiologischer Vorgänge. Diese imaginativen Übungen, sofern sie regelmäßig gemacht werden, wecken uns zur tatsächlichen Gegenwart von Angst auf, ohne uns aber zu überfordern. Es folgt die Beschreibung einer solchen Übung:
Jeden Tag für etwa fünf Minuten solltest du dich von allen Gedanken, Tätigkeiten, Sorgen frei machen. Schließe die Augen und tue das Folgende:
1. Fokussiere erstens auf ein inneres Bild deines physischen Seins. Empfinde wie die Schwerekraft im Gewicht deiner Glieder wirkt. Denke an eine Zeit, zu der du krank warst, oder zu der du von einer langen Wanderung nach Hause zurückkehrtest - oder an irgendeinen Anlass, bei dem du die Schwere deines Körpers empfunden hast. Besinne dich auf die Kristallisationsprozesse des Leibes; erinnere dich daran, wie du aufgewachsen bist, wie flexibel dein Körper einmal war und wie er allmählich steifer wurde.
2. Richte deine Aufmerksamkeit auf die Flüssigkeitsvorgänge des Körpers. Stelle dir die Kräfte des Blutes vor, indem es vom Herzen nach außen fließt, in den Gefäßen verlangsamt wird und in den Kapillargefäßen beinahe zum Stillstand kommt. Mache dir ein inneres Bild davon, wie sich dein Blut wieder in kleinen Strömungen sammelt, die immer schneller und schneller fließend zum Herzen zurückkehren und in einen Wirbel in der rechten Herzkammer hineinverschwinden. Stelle dir den ersten Anstoß vor sowie auch den Stillstand im Wirbel beim wieder Eintreten ins Herz. Stelle dir vor, wie die Flüssigkeiten in den Magen und den Dünndarm hineinfließen und vom Dickdarm wieder aufgenommen werden. Diese Bewegung gleicht der Ebbe und Flut des Ozeans. Stelle dir vor, wie die Lymphe langsam den Körper durchwandert, die Zellen umfließt und in aller Stille sich mit dem Blutstrom wieder vereint. Stelle dir vor, wie die Gehirnflüssigkeit in die Zerebralhöhle hinaufsprudelt, das Gehirn und Rückenmark badet und die Wirbelsäule hinunter wieder aufgenommen wird.
3. Stelle dir vor, wie die Luft in die Lunge eintritt und lebenspendend auf tausende von Luftsäckchen verteilt wird. Dann stelle dir vor, wie du die aus dem ganzen Körper eingesammelte Kohlensäure wieder ausatmest. Stelle dir vor, wie die Kohlensäure in die Luft wieder zurückkehrt und von den Pflanzen und Bäumen aufgenommen wird, die ihrerseits Sauerstoff abgeben.
4. Empfinde die Innenwärme deines Leibes. Die höchsten Temperaturen kommen in den Verdauungsorganen vor, die niedrigsten in der Haut und den Gliedmaßen. Mache dir ein Bild davon, wie von deinem Körper Wärme ausstrahlt. Stelle dir einen Zustand der Begeisterung vor und wie dieser Zustand in körperliche Wärme übergeht, welche wiederum den Körper leichter macht und Ermüdung überwindet.
Diese Vorstellung des eigenen Leibes fasse man als den Elementarleib auf – als unseren Leib aus Erde, Wasser, Luft und Feuer. Indem wir diese Bilder in uns zur Entfaltung bringen, knüpfen wir eine Beziehung zu den Elementarwesen der Welt. Was noch wichtiger ist: Solches Üben bildet einen Sinn für die Interkorporalität aus, nämlich wie wir mit anderen Menschen und auch mit dem Kosmos in intimer Verbindung stehen. Die Seele atmet von dem tiefsten Punkt in uns in die entferntesten Fernen der Welt hinaus.
Hier einige kurze Beschreibungen davon, welche Wirkung diese Übung auf einige Workshop-Teilnehmer hatte:
Ein paar Tage nachdem ich diese Übung ausgeführt hatte, war ich dabei, in einen Eimer Wasser hineinzugießen und wurde von dem Erlebnis überrascht, das darin bestand, dass ich vom Wasser gebannt wurde. Ich konnte nicht anders, als stehen zu bleiben und das Wasser eine Weile anzuschauen. Auch als ich an einem Fluss entlangging, empfand ich das Wasser als Erweiterung meines Leibes.
Ich nahm in neuer Weise die Dinge um mich herum wahr. Ich betrachtete die Möbel und sonstige Gegenstände mit großem Interesse für die Art, wie sie hergestellt wurden sowie für die Eigenschaften des Holzes beziehungsweise des Gesteins. Farben und die Pflanzenwelt waren ebenfalls für eine Zeit nach Ausführung der Übung ausgesprochen strahlend.
Die Arbeit daran, ein Vorstellungsbild der elementaren Eigenschaften des Leibes zu machen, erfüllte mich mit einem meinen Leib durchwebenden, durchziehenden Gefühl der Liebe. Ich empfand Devotion für meinen Körper und war mit Dank erfüllt. Allein schon andere Menschen anzusehen erfüllte mich mit EhrAngst.
Es ist nicht leicht nachvollziehbar, dadurch Terrorismus verhindern zu können, dass man in dieser Weise die Aufmerksamkeit auf den eigenen Leib richtet. Man bedenke aber, dass es hier darum geht, in welcher Weise die Seele auf die Gegenwart von Terrorismus in der Welt reagiert sowie um das Sichern der Gesundheit des Seelenleibes. Solche Anliegen sind nicht selbstsüchtig. Vielmehr zielen sie darauf ab, den entmenschlichenden Wirkungen des Terrorismus entgegenzuwirken, die nämlich weit bedrohlicher sind als die Todesfälle, die solche Handlungen bewirken. Terrorismus wird eine viel weniger wirksame Macht sein, wenn wir es nicht zulassen, dass wir von der Angst befallen werden.
Die Beschleunigung der Zeit
Nehmen wir an, ich befinde mich ein einer Großstadt wie etwa New York. Wenn ich mich in den Central Park hineinbegebe, so verändert sich die Zeit. Sie ist von größerer Dauer, hat einen langsameren Schritt. Verlasse ich den Park wieder, so verändert sich die Zeit erneut, sie wird in der lebhaften, lärmenden Straße wieder schneller. Die Änderung in unserem Zeitgefühl – dahingehend, dass sich die Zeit beschleunigt – ergibt sich aus einem Ungleichgewicht zwischen Dauer und Tempo.[3] Die Dauer nimmt ab, das Tempo nimmt zu. Nicht nur hat sich das Tempo erhöht, sondern dessen Charakter ist auch anders geworden. Zwar hat ein organisches Tempo einen Rhythmus, aber wenn wir zum Beispiel jeden Werktag in der Stadt, mit deren ständigem Auto-Verkehr zubringen, so beginnt der Rhythmus unseres Gangs in zunächst kaum bemerkbarer Weise das Tempo der um uns herum befindlichen mechanisierten Dinge nachzuahmen.
Ein hoher Berg mag wohl zeitlos erscheinen, aber auch die Dinge der Alltagswelt haben eine eigene Dauer. Es gibt die Dauer des Tages, die Dauer einer verblühten Pflanze, die Dauer einer jeden Jahreszeit. Wir sind es, die das Tempo mit ins Spiel bringen. Wir steigern den Schritt, geraten in Eile, haben zu viele Dinge zu tun, versuchen soviel wie möglich in einem Tag unterzubringen. Das uns innewohnende organische Tempo wird vom Rhythmus des Herzschlags bestimmt und erhält unser Gleichgewicht mit der Welt aufrecht. Ein Leben im hektischen Alltag der Großstadt verwandelt dieses organische Tempo in den mechanischen Schritt der Maschine und den krampfhaft zuckenden Rhythmus der elektronischen Welt. Durch die Allgegenwart von Computern, Faxgeräten, von dem Internet, den Handys, dem Email und der globalen Kommunikation hat sich das Tempo des modernen Lebens bis zur Unkenntlichkeit beschleunigt.
Was haben solche Veränderungen in der Menschenseele angerichtet? Die Seele braucht die zeitliche Dauer – üppige, dickflüssige, tiefe, samtene Zeit – und sie gedeiht am Rhythmus. Die Seele lässt sich nicht hetzen, nicht bedrängen. Sie muss sich die Ereignisse langsam einverleiben, sie wiederkäuen und so sie zu ihren eigenen Erfahrungen machen. Wenn die Seele stattdessen in rascher Folge mit Ereignissen von geringer Tiefe bombardiert wird, dann tritt eine andere Art der Angst in die Seele ein. Diese Angst erleben wir als „Die Zeit wird knapp“, eine Redensart, die Ausdruck einer Realität der Seele ist. Es ist, wie wenn die Zeit, in der die Seele lebt, eine Flüssigkeit wäre, die aber erdrückt wird. Wenn der Seele die Dauer und das Tempo entzogen werden, verliert sie die Fähigkeit, sich in der Welt auszudrücken. Wir leben in temporaler Angst, als stünden wir kurz davor, irgendein plötzliches Ende zu finden.
Die von uns erlebte Beschleunigung der modernen Welt ist etwas ganz Anderes als die normalen Ausdehnungen und Zusammenziehungen der Zeit. Letztere finden dann statt, wenn wir stärker im Einklang mit dem natürlichen Rhythmus des Tages leben. In der Regel gilt, dass wenn ich etwas tue, was ich liebe, die Zeit schnell vergeht; wenn ich mich hingegen langweile, scheint sie zu kriechen. Wenn ich etwas tue, was ich liebe, habe ich mich selbst – mein eigenes Tempo – mit dem vereint, was ich tue, und die Zeit scheint sich schneller zu bewegen. Wenn ich etwas tue, was ich nicht mag, scheint sie unendlich lang zu sein. Dieses natürliche Verhältnis zur Dauer und zum Tempo wird durch den Schritt des heutigen Lebens auf den Kopf gestellt. Heutzutage entschleunigt die Zeit gar nicht, wenn ich etwas tue, was ich nicht liebe, sondern es gibt nur mehr zu tun, was schneller gemacht werden muss: alles Tempo und keine Dauer. Dauer ist tatsächlich vorhanden, aber statt Liebe zu sein ist sie voller Grauen. Wir scheuen uns davor, das Grauen zu erleben; könnte es doch auf den Verlust des eigenen Arbeitsplatzes hinauslaufen oder darauf, dass unsere Arbeit nicht das Widerspiegelt, was wir mit unserem Leben machen möchten. Es kommt so weit, dass wir nur an der Oberfläche der Zeit leben und die Dinge so ihre Tiefe verlieren. Es kann vorkommen, dass wir viele Ereignisse des Tages durchleben und dabei gar nichts erleben, da die Seele keine Gelegenheit hatte, die Ereignisse von verschiedenen Gesichtspunkten auf uns wirken zu lassen, wie wenn man einen Gegenstand in der Hand umwendet. Die Seele braucht Raum, um die Ereignisse des Tages Revue passieren zu lassen; ihre verschiedenen Tonqualitäten zu erlauschen; sich auf das zu besinnen, was hereinströmt; mit einem Ereignis ein- und auszuatmen und ihm so seine Wesenhaftigkeit und Lebenswichtigkeit zu entnehmen. Wovor sich die Seele im tiefsten Kern fürchtet, das ist, sich nicht an der Welt entwickeln zu können. Sie fürchtet, vom Leben außen vor gelassen zu sein.
Es gibt außer der „Verstromung“ der Zeit auch weitere Aspekte des modernen Lebens, die unsere Erfahrung der Dauer verringern. Drogen wie etwa Speed, Kokain oder Crack wirken sich radikal auf die Erfahrung der Zeit aus. Kokain und Crack steigern den Grad des Stoffwechsels. Ist der Stoffwechsel hoch, so wird die Zeit tatsächlich als verlangsamt erfahren. Kinder haben einen höheren Stoffwechsel als ältere Menschen, und deren Wahrnehmung der Zeit ist stärker von der Dauer geprägt. Ältere Menschen, deren Stoffwechsel langsamer geworden ist, erleben einen viel schnelleren Verlauf der Zeit. So gesehen versuchen jene Menschen, die Crack und Kokain konsumieren, den Wirkungen einer Welt entgegenzuwirken, die immer schneller wird. Diese Drogen haben aber auch einen Einfluss auf das Nervensystem, und so sind die Auswirkungen im Ganzen recht unterschiedlich. Das Einnehmen von Speed hingegen – einer völlig unnatürlichen Substanz, die stärker das Nervensystem beeinflusst als den Stoffwechsel, was eine Beschleunigung der Zeit bewirkt – kann man als den Versuch ansehen, das Problem dadurch zu lösen, dass man noch schneller rennt als die beschleunigte Zeit selbst.[4]
Ein dritter Aspekt der durch die Beschleunigung der Zeit verursachten Angst ist das Phänomen der Gefühllosigkeit. Die kalte, harte und schnelle Gefühllosigkeit verleitet uns dazu, die Menschen zu beurteilen, ohne dass wir uns die Zeit genommen haben, deren Situation zu verstehen. Wenn Konzerne ein Downsizing durchführen, verlieren hunderte, ja tausende von Menschen von einem Moment auf den nächsten ihre Stelle, und zwar aus keinem anderen Grund, als damit die Kostensenkung als Profiterhöhung in der Bilanz erscheint. Es wird sich für langfristige Lösungen keine Zeit genommen. Es geht hier nicht darum, den Konzernen die Schuld zu geben für die Änderung in unserer Beziehung zur Zeit, sondern darum, zu beschreiben, wie diese Änderung in der Welt manifestiert. Hier einige weitere Beobachtungen von Seiten eines unserer Workshop-Teilnehmer, der in einem großen Konzern arbeitet:
Mit den obersten Managern in meinem Abteil geht es selten länger als zwei Jahre. Das führt zu einem ständigen Zustand des Umbruchs, was für mich bedeutet, dass ein Großteil meiner Arbeit darin besteht, neue Manager darin auszubilden, worum es bei uns in der Firma geht. Wir verbringen so viel Zeit damit, diejenigen zu belehren, deren Aufgabe es ist, „aufzuräumen“, als über die Zukunft nachzudenken.
Schon immer genossen unsere Produkte wegen ihrer hohen Qualität ein hohes Ansehen, aber je größer wir werden, umso mehr leidet die Qualität unseres Produkts. Das ist äußerst schwierig, denn die Menschen hier sind sehr stolz auf ihre Arbeit. Wir hören nichts anderes als „schneller und billiger“, und zwar mit dem Anspruch gekoppelt, dass die Qualität dabei nicht ausgehöhlt wird.
Alle möglichen neuen Initiativen und Ankündigungen werden ständig von oben herab diktiert, und meistens lösen sie sich nach ein paar Tagen in nichts auf. Diejenigen, die diese Initiative ernstnehmen, steigern sich in sie hinein bis dahin, dass sie Schäden anrichten, um nur ein paar Tage später herauszufinden, dass die Initiative keinen mehr interessiert. Der Manager muss Prügel einstecken, Ruhe verströmen und wohlüberlegte Antworten von sich geben können. Die Fähigkeit, warten zu können, ist äußerst wichtig.[5]
Wenn das Herz aus unseren Handlungen ausgeschaltet ist, manifestiert die Zeit als Gefühllosigkeit. Gefühllosigkeit nicht anderen, sondern der Erde gegenüber – ihren Geschöpfen, ihren Bäumen und Pflanzen und Tieren – kennzeichnet die im Geschwindigkeitstaumel gefangene Welt. Es geht schneller, einen Wald zu vernichten, als in ihm zu bauen; es geht schneller Gebäuden abzureißen, als sie sorgfältig wieder instand zu setzen; es geht schneller, Chemikalien in den nächstbesten Fluss oder die nächstbeste Müllgrube zu kippen, als Geld und Zeit aufzuwenden, um sie zu nützlichen Zwecken wieder aufzubereiten.
Die Grausamkeit einer Zeit, die ganz Tempo und Wiederholung und nur wenig Dauer enthält, zeigt sich auch in unserem Alltagsleben. Wir haben keine Zeit wirklich zuzuhören; mitten im Telefongespräch schalten wir unseren Freund auf Anklopfen. Wir werden ungeduldig, während unsere Kinder von ihrem Schultag berichten. Wir haben fast keine Zeit, uns zurückzuziehen, kein Empfinden von unserem Zuhause als einem Zufluchtsort. Das einzige regelmäßige Erlebnis von irgend etwas Dauer-Artigem entnehmen wir dem Fernsehen. Hier verleben wir eine Art Monotonie der Dauer, denn vom Fernsehen fühlen wir uns nicht erholt und erfrischt, sondern ausgelaugt und müde.
Wir können einen Ausgleich schaffen zur zeitbezogenen Ängstlichkeit sowie zum Grauen, das einem Zeitempfinden ohne Räumlichkeit entstammt, wenn wir die eine oder die andere Form der Meditation aufgreifen und regelmäßig üben. Jeder, der schon einmal Meditation geübt hat, wird die bemerkenswerte Flexibilität des Zeiterlebens dabei gewahr. Wenn zum Beispiel eine Meditation gut verläuft, kommt einem eine halbe Stunde wie bloße Sekunden vor; verläuft sie nicht so gut, können sich wenige Minuten wie Stunden ausnehmen. Eine Meditation, die unsere Zeiterlebnisse vertiefen und bis in unser alltägliches Leben hineinwirken kann, braucht nach der Uhr nicht mehr als etwa fünf bis zehn Minuten pro Tag. Längere Meditationen können uns allmählich von der Welt abziehen, da es vorkommen kann, dass wir dadurch die spirituellen und kosmischen Welten verlockender und ansprechender finden, als die irdische.
Jede Meditationssitzung sollte darauf abzielen, das Bewusstsein mit einem einzigen Gedanken oder aber mit einem Bild zu erfüllen. Der Gedanke bzw. das Bild sollte ein gewöhnliches Objekt darstellen, wie etwa eine Papierklammer, zu dem der Meditant keine besondere Beziehung hat. Dann kann man dieses Objekt mit allen Eigenschaften umkreisen, die zu ihm dazugehören – es ist aus Metall, es ist länglich-rund, es hält Papierblätter zusammen usw. Vermutlich wird man zunächst in Worten über das Objekt nachdenken. Übend kann man sich aber in die Lage bringen, das Vorgestellte auch ohne Wörter wahrzunehmen. Nach weiter fortgesetztem Üben ist es, als würde das Objekt sich selbst denken – wobei man nicht zulassen sollte, dass sich die Meditation wie eine freie Fantasie von alleine verläuft; man braucht beim Meditieren ein stets klares Bewusstsein.
Nachdem man für einige Minuten so meditiert hat, besteht der nächste Schritt darin, die Konzentration auf den Gedanken restlos zu tilgen und dann so lange wie möglich in einer völligen Leere zu verharren.
Beim Meditieren auf ein Bild besteht die Aufgabe einfach darin, von einem beobachteten Objekt ein inneres Bild zu machen. Nicht bloß etwas einmal Gesehenes erinnern, sondern einen tatsächlichen Gegenstand finden – einen Kiesel, einen Bleistift, eine einfache Pflanze – und ihn für ein paar Minuten betrachten, dann sich ein inneres Bild dieses Gegenstands machen. Das innere Bild soll nicht zu ausführlich und auch ohne Verzierung sein; es soll der äußeren Wahrnehmung exakt gleichen. Man stabilisiere dann das Bild und halte es ein paar Minuten. Dann gilt es, nachdem man das Bild eine Weile gehalten hat, es zu löschen und in der Leere zu verharren.
Solche Meditation hilft, die Dauer wieder wahrnehmen zu können. Im gedanklichen Meditieren auf den Gegenstand gehen unsere Gedanken zunächst von einem Aspekt desselben zum nächsten, und im bildhaften Meditieren fokussieren wir von einem Aspekt des Bildes zum nächsten. Mit fortgesetztem Üben beginnt es sich so anzufühlen, wie wenn der ganze Gedanke resp. das ganze Bild auf einmal da ist. Wir betreten in dem Fall nicht die Zeitlosigkeit, sondern die Dauer. Es wird uns nach und nach möglich, sämtliche Aspekte des Gedankens bzw. des Bildes auf einmal zusammenzuhalten, anstatt dass man von einer Eigenschaft zur nächsten wechselt. Solch eine Erfahrung der Dauer ist anders als, sagen wir, auf einer Wanderung einen majestätischen Berg zu erleben. In der freien Natur werden wir in eine Situation hineinversetzt, in der die Dauer herrscht, und diese Situation genießen wir einfach. Im Ausführen dieser Übung arbeiten wir daran, die Dauer bewusst handhaben zu können. Wir bilden eine Kapazität der Seele aus.[6]
Diese Meditation sollte kurz sein, damit nicht die Pflichten und Verantwortlichkeiten des Lebens gestört werden. Solches Üben zeitigt keine dramatischen Resultate. Dessen Wirkungen ziehen wenn auch kaum merklich ins Alltagsleben hinein, und das erneuert – je nachdem, wo wir uns befinden und was wir tun – das Erleben der Dauer. Der wesentliche Teil der Übung ist, dass man überhaupt den Willen erzeugt, sie auszuführen. Minutenlang sich auf einen einzigen Gegenstand zu konzentrieren und dabei überhaupt nichts anderes eindringen zu lassen, erfordert ein Aufgebot an Willenskraft. Hat man das vollbracht, so muss ein zweites Willensaufgebot erfolgen, welches darin besteht, den Gedanken bzw. das Bild auszulöschen. Diese Willensanstrengung muss ebenso stark sein wie die, durch die der Gedanke bzw. das Bild erst geformt wurde.
Noch etwas, auf das es beim Ausführen dieser Übung zu achten gilt, ist das eigene Atmen. Zu Beginn ist der Gedanke bzw. das Bild nur dadurch aufrechtzuerhalten, dass man den Meditationsvorgang mit dem eigenen Atemrhythmus koordiniert. Allmählich sollte man es aber bis dahin bringen wollen, den Meditationsvorgang vom Atem zu entkoppeln. Unser Körper beteiligt sich sowohl an der Sphäre der Dauer als auch an der Sphäre des Tempos. Der Atem ist mit dem Tempo verknüpft; es geht uns aber in dieser Übung darum, die Erfahrung der Dauer zu entdecken.
Ein weiterer Aspekt dieser Art der Meditation besteht darin, dass das tägliche Ausführen derselben sie keineswegs leichter macht; ja sie wird eher schwerer. Es kann passieren, dass sie automatischer wird, aber wenn das eintritt, so ist das, was man dann tut, keine Meditation mehr, sondern ein bloßes Nachdenken über die Übung in der Vergangenheit. Jedes Mal, wenn du die Übung machst, ist sie ein Schöpfungsakt. Wenn ein echter Künstler ein Bild malt, so wird das darauf folgende Bild nicht leichter zu erschaffen, sondern schwerer – vorausgesetzt allerdings, der Künstler lässt sich in echt auf den schöpferischen Prozess ein, anstatt bloß Bilder zu produzieren. Auch Meditation ist eine Kunst. Wir nennen sie eine Übung, weil wir sie nie bemeistern können. Mir sind Menschen bekannt, die diese kleine Übung seit über zwanzig Jahren jeden Tag ausführen.
Wie arbeitet man auf die Reinigung der Seele hin? Zwar weiß jeder Mystiker und Seelensucher wohl, dass solche Arbeit unentbehrlich ist. Und doch ist die Idee einer Lauterkeit der Seele so gut wie verschwunden aus unserer Kultur. Diese Idee wurde nämlich so sehr mit negativen Vorstellungen belastet, dass sie tendenziell alles abwertete, was mit Genuss bzw. Vergnügen zu tun hat. Daraufhin wurde sie in eine Code-Sprache von Regeln und Bestimmungen übersetzt, und am Ende ging es nicht mehr um die Reinigung der Seele, sondern um deren Unterdrückung. Die primäre innere Arbeit der Seelenreinigung hat aber mit Unterdrückung nichts zu tun. Die Hauptarbeit besteht vielmehr in Wachsamkeit, in der Selbstbeobachtung des eigenen Seelenlebens. Zwar können wir nicht unmittelbar die eigene Seele schauen; wohl können wir aber die Art schauen, in der die Seele sich ausdrückt, zumal sowohl deren innere als auch deren äußere Ausdrucksweise.
Gewalt
Wir sind mit den vielen großen Ausdrucksformen überwältigender Leidenschaft vertraut: Krieg; Nationalismus; Erschießungen aus vorbeifahrendem Fahrzeug; von Gangs ausgeübte Gewalt; die Taten grollender, am Arbeitsplatz bewaffnet erscheinender Angestellter; Gewalt gegen Kinder, gegen Frauen, gegen alte Menschen; Erschießungen in Schulen. Diese Wut übt eine Wirkung auf die Seelen aller Menschen aus; ferner tun fällt es uns zunehmend schwer, die Wut im Zaum zu halten, die ohne Ursprungslos scheint und uns bisweilen unvorbereitet überkommt.
Es folgen drei verschiedene Beschreibungen von Wut-Erlebnissen dieser Art, die einem jeden vertraut sein dürfte. Jeder vermag, in sich solche Erlebnisse zu entdecken, die uns übrigens arg verschrecken können:
Bei der Arbeit vor wenigen Tagen fühlte ich einen plötzlichen, heftigen Anflug von Wut gegenüber meinem Bekannten. Ich hatte ihm erzählt, wie sehr mir ein Film gefällt, den ich gesehen hatte, und er hat mich postwendend „berichtigt“, wie er das öfters tut. Es hört sich wie eine Bagatelle an, aber sein Ton war spitz und seine Miene herablassend. Die Wut schoss mir in der Magengegend auf und fühlte sich zunächst heiß an, ging aber schnell in eine Empfindung der Kälte überging. In einer Kettenreaktion wurde mir der Magen kalt und das wiederum ließ mir das Herz hämmern und rasen zugleich, ließ mir auch das Bewusstsein herabdämmern. Der Bekannte machte grinsend eine Bemerkung über meine Verärgerung. Ich fühlte die reine Wut in mir emporkochen und brauchte ziemlich lange, bis ich mich davon erholen konnte.
Ich hatte neulich einen erstaunlichen Drang, meinen Kater zu treten. Obwohl ich der Meinung bin, dass er in Sachen Heiligkeit dem Dalai Lama in nichts nachsteht, kam mir dennoch der Gedanke: Wer würde es überhaupt mitbekommen, wenn ich ihm einen Tritt versetzte? Er ist alt und grantig und sein Gejaul war mir schon länger auf die Nerven gegangen. Ich hetze mich einen ab, komme sowieso schon zu spät zur Arbeit und der Kater maunzt mir die Ohren voll. Es war, wie wenn mein Bein ein Eigenleben gehabt hätte. Es hatte sich vorgenommen, eine bestimmte Bewegung auszuführen, und ich kam dagegen nicht an. Ich erinnere mich deshalb so gut an das alles, weil es absolut ausgeschlossen war, dass ich meinem Kater irgendetwas antue.
Meine beiden Kinder waren mit mir zusammen in der Küche. Ich hatte sie darum gebeten, mit ihrem Gezänk aufzuhören, aber sie machten weiter. Ich empfand auf einmal, wie mir heiß wurde, im Innern stieg mir die Temperatur. Mir hörte das regelmäßige Atmen auf. Das, was ich empfand, war sowohl Hitze, als auch eine in mir von der Taille bis zur Kehle heraufsteigende Kälte. Ich merkte, wie alles dort in der Mitte meines Leibes zusammenfloss: Der Kopf war mir heiß, das Herz kalt: der Lärm, das Gezänk, die Widerreden vereinigen sich. Mir klopfte das Herz immer schneller, ein Ton wie ein Grollen beginnt, erfüllt mich, und ich brülle wie ein Bär. Während all das vor sich geht, bin ich in meinem Körper zwar darinnen und sehe dennoch zugleich auch allem zu. Es war erstaunlich. In dem Moment wusste ich, dass ich weglaufen und die Situation vorbeigehen lassen muss.
Unsere Erkenntnisse der Menschenseele haben mit anderen Erkenntnisarten nicht mitgehalten, was zu einer radikalen Gleichgewichtsstörung geführt hat. Im Bereich der Emotion und der Leidenschaft verpönen wir es sowohl, wenn man sich von diesen Kräften überwältigen lässt, als auch wenn man sich zu ihnen hingezogen fühlt. Aus Sorge, dass uns die Leidenschaft überhaupt abhandenkommen könnte, haben wir das Bedürfnis, ihr immer näher zu kommen. Dabei verstehen wir aber, wie man sich ihr in rechter Weise nähert, und so kann es vorkommen, dass sie uns völlig übermannt, indem wir unwissend eine uns unsichtbare Grenze überschreiten und in die tosende Hitze der ungeformten Seele hineingestürzt werden.
In derselben Sekunde, in der gewalttätige Leidenschaften aus den Schützengräben fremder Länder, auf den Bildschirm, in den Hintergassen der Großstadt, von hinter den verschlossenen Türen des Hauses nebenan hervorquellen, werden wir alle von Angst befallen. Letztere kommt unter anderem durch Hyper-Erregung zum Ausdruck. Kann man nachts eine dunkle Straße begehen, ohne durch jedes noch so geringe Geräusch erschreckt zu werden? Fühlen wir uns nicht deswegen oft reizbar, nervös und verunsichert, weil wir den Ursprung dieser Gefühle nicht orten können? Wir empfinden eine ständige Ängstlichkeit, eine Angstsamkeit, die sich aber an nichts festmachen lässt. Vielen Menschen fällt es zunehmend schwer zu schlafen, was auf Beklommenheit, auf Schrecken hinweist. Unser Körper ist stets in Hab-Acht-Stellung vor lauernder Gefahr.
Ein weiterer Ausdruck davon, dass wir mitten in einer Welt leben, in der die Leidenschaft amokläuft, ist der Gedächtnisschwund. Die Erinnerung wird stärker bildorientiert, ikonischer, weniger worthaft, eher wie die eines Kindes. Diese Art des Erinnerns ermangelt der Details, der Nuancierung, des Kontextes und ist konkreter und literalistischer. Auch das Vorstellungsleben wird in Mitleidenschaft gezogen; wird fundamentalistisch, sie besteht in inneren Bildern anstatt in der Fähigkeit, komplex nuancierte Imaginationen zu bilden, die nicht nur Visualisierungen sind, sondern sämtliche Sinnesmodalitäten mit umfassen.
Worauf es jetzt wachsam zu sein gilt, das sind unsere Bilder. Wenn wir Bilder von Gewalt aufnehmen, Berichte darüber lesen, wie sie in der Welt zum Ausdruck kommt, Berichte von Mord und Zerstörung hören, so hat das eine starke Auswirkung auf die Seele, und zwar genau an der Grenze zwischen Seele und Leib. Die schrecklichen Gräueltaten, die wir in den Nachrichten aufnehmen, sinken in uns bis auf die Ebene des Körpers hinunter. Wir erleben eine Ängstlichkeit im Körper und leben so, wie wenn wir traumatisiert worden wären, ohne allerdings die uns tatsächlich zugestoßenen traumatischen Ereignisse immer orten zu können. Es kann vorkommen, dass wir selbst nicht nur über die eigene Wut staunen, sondern auch darüber, wie wir ohne Grund und ohne Weiteres kurz vorm Explodieren sind.
Um die Seele zu reinigen geht es zuerst um die Ausbildung der Fähigkeit, vor der Kraft der in uns zu findenden Wut sowie auch vor der Kraft des Hasses voll anwesend zu sein, und zwar ohne diese Kraft auf jemanden – nicht einmal auf uns selbst – zu richten. Wenn wir in der Lage sind, uns den Regungen eines tiefen Zornes zu stellen, so werden aus ihnen Bilder entstehen. Die Bilder sind in der Regel gewalttätiger Natur, wie etwa die Vorstellung, demjenigen etwas anzutun, der in uns selbst den Zorn provoziert hat. Wenn ein solches Bild erscheint, ist der Verzicht auf die Umsetzung desselben das Wichtigste, was man tun kann. Auch gibt es keinen Grund, zu demjenigen hinzugehen und ihm vom Zorn zu erzählen, den man empfindet; hat doch der andere Mensch höchstwahrscheinlich diesen Zorn nicht verschuldet. Der zweite Schritt auf dem Weg zur Reinigung der Seele besteht im Zusehen der Bilder. Man sichert so eine innere Wahrnehmung, die sonst rasch getilgt wird: die Wahrnehmung nämlich, dass das Auftreten dieser Bilder stets von tiefgreifender Angst begleitet wird.
Bei der Seelenreinigung geht es darum, mit der Hitze der Emotionen leben zu können und dabei negative Gefühle weder zu unterdrücken noch sie gegen andere Menschen zu richten. Reinigung ist eine Art Verbrennungsprozess. Sie ist eine innere Hitze, deren Herd – das Mittel nämlich, durch das sich die Reinigung vollzieht – das Gift selber ist. Dieser Gedanke, dass man mit dem Gift zugleich auch die Heilung findet, kommt im Buch The Zen Teaching of Bodhidharma zum Ausdruck:
Die drei Reiche sind Habgier, Wut und Täuschung. Diese drei Reiche zu verlassen heißt, von Habgier, Wut und Täuschung zu Moralität, Meditation und Weisheit zurückzukehren. Habgier, Wut und Täuschung haben keine eigene Natur. Sie sind auf sterbliche Menschen zurückzuführen. Und jedermann, der des Nachdenkens mächtig ist, kann nicht anders als zu sehen, dass die Natur von Habgier, Wut und Täuschung die Buddha-Natur ist. Jenseits von Habgier, Wut und Täuschung gibt es keine Buddha-Natur. In den Sutras heißt es, „die Buddhas sind nur dadurch zu Buddhas geworden, dass sie mit den drei Giften leben und sich vom reinen Dharma ernähren.
Alles, was in der Welt Wut ist wird, wenn die Seele auf sie eingeht, zum Gift in der Seele. Wird dieses Gift ausgelebt, so erzeugt das immer mehr Angst in der Welt. Wenn wir aber das Gift innerlich als eine seelengetragene läuternde Hitze innerhalb der Seele empfinden – und das ereignet sich dann, wenn es uns gelingt, unsere Wut und die ihr innewohnende Angst ins Bewusstsein zu heben – und sie festhalten können ohne sie auszuleben, so wirkt dieses Gift heilend.
[1] Charles B. Strozier, Apocalyse: On the Psychology of Fundamentalism in America (Boston: Beacon Press, 1994)
[2] Bernard Lievegoed, Der Mensch an der Schwelle, Freies Geistesleben 2012
[3] Um eine phänomenologische Beschreibung von Dauer und Tempo zu lesen, siehe J. H. Van den Berg, Things (Pittsburgh: Duquesne University Press, 1973).
[4] Ron Dunselman. An Stelle des Ich (Freies Geistesleben, 1996)
[5] Mein Dank gilt Charles Blum für diese Beschreibungen.
[6] Eine Reihe von Meditationen dieser Art findet der Leser in Georg Kühlewind, Vom Normalen zum Gesunden: Wege zur Befreiung des erkrankten Bewusstseins, Freies Geistesleben 2016.
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Damit die Seele erhalten werden kann, ist Lebendigkeit der Sinne unerlässlich. Solche Lebendigkeit verleiht dem Vorstellungsleben die Fähigkeit, in die Welt hineinzustrahlen. Wird aber einmal die Empfindsamkeit des Leibes erweckt, so werden wir ebenfalls empfindsamer für die unterschiedlichen Muster, in denen die Angst manifestiert. Mit diesen verschiedenen Erscheinungsformen der Angst müssen wir es dann aufnehmen. Solche Muster erschaffen wir nicht selbst, sondern wir sind mit dem verbunden, was die Tiefenpsychologie als die Regionen der Urbilder bezeichnen würde (die wir allerdings erst durch besagte gesteigerte Empfindsamkeit entdecken). Mit diesen Regionen wiederum muss in je unterschiedlicher Weise gearbeitet werden. Um diesen verschiedenen Mustern zu begegnen und in gesunder Weise auf sie einzugehen, müssen wir uns eine klare Vorstellung der vielen einzelnen Regionen der Angst bilden.
Bevor man nicht eine gründliche Vorstellung von etwas gebildet hat, kann man sich daran nicht beteiligen. Wenn wir so an die Angst herangehen, dass wir ausschließlich durch äußere Maßnahmen sie aufzuhalten versuchen, bringen wir das falsche Werkzeug in Anschlag. Die wirkliche Macht der Angst wohnt unserem Wunsch inne, sie zu vermeiden; das Ergebnis einer solchen Verdrängung ist, dass die Angst sich unser erst dann gänzlich bemächtigt.
Die erste Fähigkeit, die wir in uns zur Entfaltung bringen müssen, ist die tief empfundene Erkenntnis, dass diese Verderberin Angst auch die große Erweckerin ist. Wir werden es zu nichts bringen, wenn wir nicht als Allererstes unsere Ängste, die Erscheinungsformen der eigenen Angst, wertschätzen lernen. Das soll nicht heißen, dass wir sie zu uns hereinbitten, sondern dass wir sie als schon vorhanden begreifen sollen, dass sie uns vollkommen umgeben und ständig auf uns einwirken – manche in höherem, manche in geringerem Grad. Wenn wir die Angst als reelle Präsenz akzeptieren und nicht bloß als subjektive Reaktion auf etwas, das wir für eine Bedrohung unseres Wohlseins halten, so treten wir über die am Rande der Sicherheit und der Behaglichkeit liegende Schwelle. Haben wir diese Schwelle einmal überschritten, so müssen wir weitergehen und gesunde Arbeitsweisen finden, um die in uns befindliche Anwesenheit der Angst auszugleichen.
Angenommen etwa ein Kind erwacht mitten in der Nacht und muss laut weinen. Die Mutter steht auf und geht zu ihrem Kind hinein. Das Kind erzählt ihr unter Tränen, dass sich ein grinsendes, lilafarbenes Männchen in der Kleiderkammer versteckt hält und es anfassen möchte. Jetzt erwidert die Mutter, das könne nicht sein, das sei sicher nur ein böser Traum. Sie bietet in dieser Weise der Angst einen Angriffspunkt um sich zu verstärken. Nimmt sie dahingegen einen Besen in die Hand, öffnet die Tür zur Kleiderkammer und fegt das Gespenst hinaus, würde das nicht die Angst des Kindes vermindern? Wenn wir die Angst als etwas Reelles akzeptieren – auch als eine Realität der Vorstellung – wird sie zu etwas, was mehr ist als eine bloß subjektive Reaktion, und dann können wir uns daran begeben, in gesunder Weise Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Man lässt im zweiten Fall nicht das Kind im Glauben hängen, dass nichts getan werden könne bzw. dass die Angst nicht echt sei. Vielmehr wertschätzt man die Angst und verarbeitet sie. Aus der Perspektive der Seele sind die Dinge in der Welt, die man für die Ursachen von Angst hält, keine Ursachen, sondern Offenbarungen von ihr – Offenbarungen der Angst, wie sie sich in der Welt zeigt.
Die Seele in ihren tiefsten Tiefen unterscheidet nicht zwischen „reell“ und „subjektiv“. Es ist müßig, sie darin unterweisen zu wollen, eine solche Unterscheidung zu machen. Der bewusste Teil unseres Seins muss umgekehrt die Gesetze unserer Seelennatur und deren Funktionsweise respektieren und einen ihr gemäßen Umgang pflegen. Betrachten wir nun aus dem Blickwinkel der Seele einige der neuen Realitäten der Angst, auf die wir in unserem alltäglichen Leben treffen. Zwar scheinen diese so ungeheuer groß, dass es schwer zu verstehen ist, was wir als Einzelmenschen gegen sie ausrichten können: Gegen Krieg, Kriminalität, Umweltverschmutzung, Seuchen können wir direkt nichts bewirken. Wohl können wir aber an der Art und Weise arbeiten, wie unsere Seele solchen Angstbaren Dingen begegnet. Die Seele lässt sich auf diese Dinge ein und hat diverse, in uns lebende Eindrücke von ihnen. Mein Anliegen ist es, zu zeigen, dass eine neue Richtung seelischen Arbeitens es vermag, in uns selbst und in der Welt tatsächliche Veränderungen herbeizuführen.
Terrorismus
Wir konfrontieren täglich Berichte von terroristischen Attacken über die ganze Welt hin. In den letzten Jahrzehnten haben wir mitbekommen, wie kommerzielle Flugzeuge in die Luft gesprengt wurden, wie Giftgas in der U-Bahn freigelassen wurde, wie Regierungsgebäude zerbombt, das WTC zerstört, ein Reisezug von einer Eisenbahnbrücke in die Tiefe geschickt wurde, wie Bombenpakete mit der Post verschickt wurden, wie Massenentführungen verübt und Enthauptungen vor laufendem Kamera zur Schau gestellt wurden. Zu Beginn schien es, als könne dem Terrorismus auf äußerliche Feinde, radikale Gruppen in fremden Ländern schieben; mit Entsetzen mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass auch unsere eigenen Nachbarn zu den Tätern gezählt werden können. Beim Terrorismus verstärkt sich die Angst um das Tausendfache. Angst wird zur verhandelbaren Ware, die man importiert und exportiert, die man egal wohin transportiert; sie wird zu einem dingfesten Gegenstand, die keine Grenzen kennt noch respektiert. Sie kann jedem von uns um jede Ecke lauern, geduckt, uns ohne jede Vorwarnung anzuspringen.
Die Schutzmaßnahmen, die wir gegen diese Art der Angst ergreifen, tragen selbst zum Prozess der Entmenschlichung bei. Uns werden Wachposten in Flughäfen, in Gerichtsgebäuden, in Schulen, bei Sportveranstaltungen zugemutet. Videokameras überwachen uns in jeder Bank, im Einkaufsladen, auf dem Parkplatz. Zwar sind sie zu unserem Schutz da, und dennoch machen sie uns zu Gegenständen und bewirken dadurch eine Zusammenziehung der Seele. Sie machen uns alle gemeiner, paranoider, argwöhnischer.
In solchem Ausmaß wird Terrorismus zum Gott – unsichtbar, allmächtig, ein großer, gewaltiger Bestrafer, der Herr des Todes selbst. Um in solcher Weise den Tod walten zu lassen, geht der Terrorist sogar soweit, das eigene Wesen mit dem Tod zu vermählen. Er fürchtet sich nicht mehr vor dem Tod und könnte die Bombe ebensogut an der eigenen Person an den für sie bestimmten Ort befördern, als durch jedes andere Transportmittel. Sein eigenes Leben bedeutet ihm nichts, so bedeutet ihm ebensowenig das Leben eines anderen Menschen etwas.
Wir verbringen unser Leben wie bisher, fahren zur Arbeit hin und nach Hause zurück, jedoch mit einem neuen, andauernden Bewusstsein: Im nächsten Augenblick könnten wir sterben. Zwar ist das Leben in der Tat größtenteils eine Vorbereitung auf den Tod. Aber der Terrorismus bringt nicht nur den Tod zur bewussten Vorstellung, sondern er verknüpft mit ihm Bilder des Entstellt-, des Paralysiert-, des Verkrüppeltseins, vielleicht des Gefangen- und/oder des Gefoltertwerdens. Terrorismus tötet den Sinn dafür, dass wir eine Zukunft oder ein Lebensziel haben. Wenn sich einmal eine Vorstellung der Möglichkeit, so zum Opfer des Terrors zu werden, in unser Seelenleben eingenistet hat, so stumpft sich unser Vermögen ab, mit freudiger Erwartung der Zukunft entgegenzuschauen. Unser Interesse zieht sich – wenn auch kaum merklich – von der Welt zurück; es scheint, als gäbe es nichts Wertvolles mehr zu tun außer für das eigene unmittelbare Wohl beziehungsweise Vergnügen. Die Wirkung des Terrorismus liegt nicht nur darin, Menschen umzubringen, sondern auch an den Seelen von Menschen Mord zu begehen, die nicht direkt beteiligt sind. Er sieht Menschen als Objekte, und so werden wir zu Objekten, auch uns selbst gegenüber.
Der Terror kann keine Uneindeutigkeit, keine Metapher, Fantasie, Kreativität dulden. Terrorismus macht den Tod zu etwas Wortwörtlichem, indem er uns der Kapazität beraubt, uns den Tod als natürliche Kulmination unserer Zeit hier auf Erden vorzustellen.[1] Eine solche Vorstellung verlangt von uns, dass wir das Leben als fortdauerndes Gegenstück zum Tod betrachten. Es ist eine natürliche Neigung von uns, das Leben stets als einen Konflikt mit dem Tode zu empfinden, und wir leben im Vertrauen darauf, dass das Leben immer der Stärkere bleibt. Der Terror kehrt dieses Verhältnis um, indem er den Tod zum Stärkeren, zum Herausragenderen, zu dem macht, der die stärkere Kontrolle hat. Der Terrorist pflegt keine Vorstellung mehr des Lebens als etwas, dem irgendeine Kraft innewohnt. Das Potential bei einem jeden von uns, zum eigenen Terroristen zu werden, findet man im Verlust des Glaubens an das Leben. Wir werfen unsere Hände in die Höhe über die Widerlichkeit eines weiteren terroristischen Zwischenfalls und aus Ratlosigkeit darüber, was dagegen unternommen werden kann. Wir gewöhnen uns an den Anblick von zerbombten, brennenden Gebäuden, von fliehenden, schreienden Menschen, von Blut und leblosen Körpern. Angesichts solcher Bilder fällt es schwer, für die Menschheit Hoffnung zu empfinden.
Die Gegenwart von Terror in der Welt gleicht einem großen Prozess der Kompression. Das Leben mitten unter solchen Bildern des Todes zerfrisst die selbstverständlichsten Formen menschlicher Beziehungen und erzeugt Benommenheit und Isolation. Man wird zum Beispiel darum gebeten, wachsamer zu sein, darauf achtsam, ob jemand ein unbeaufsichtigtes Paket oder Gepäckstück irgendwo hat herumstehen lassen. Man empfindet beim Reisen mit dem Flugzeug oder mit Bus und Bahn einen Stich der Besorgnis. Über die Nachrichten werden inzwischen Terrorismus-Warnungen durchgegeben. Uns wird mitgeteilt, dass wir viel mehr Fälle des internationalen Terrorismus zu erwarten haben. Mir sind Familien bekannt, die davor Angst haben, in dem gleichen Flugzeug zusammen zu reisen.
Diese Art der Angst scheint der grundsätzlichen Aussage zu widersprechen, die ganz am Anfang des Buches gemacht wurde – dass nämlich um von der Angst frei zu werden, man nicht danach trachten soll, sie loszuwerden, sondern innere Fähigkeiten entwickeln muss, um an ihr dranbleiben zu können, was eine allmähliche Verwandlung herbeiführt, und zwar nicht nur in uns, sondern auch in der Welt. Freilich mag es scheinen, als bestünde die beste Lösung im Finden eines direkten Weges, den Terrorismus ein und für allemal auszuschalten. Wollen wir doch immer das abschaffen, was wir nicht mögen. Aber wie bei jeder Art der Angst wäre es auch hier ein Irrtum, wenn man davon ausginge, dass die Eliminierung der nächsten Ursache ein gänzliches Loswerden der Angst selber mit sich brächte. Ein Loswerden des Terrorismus ohne die mit ihm einhergehende Unterströmung des Hasses zu verändern kann nur dazu führen, dass irgendeine andere Angstsame Situation an dessen Stelle tritt – Wie etwa der Entzug menschlicher Freiheit oder das Lebenmüssen in einem Polizeistaat. Gehen wir davon aus, dass eine Bedrohung ohne innere Umwandlung entfernt werden kann, so sehen wir nicht das Phänomen für das, was es ist.
Anstatt zu fragen, wie dieses grässliche Ding zu entfernen ist, könnten wir fragen: Was tut denn diese Angst gegenwärtig in der Welt? Wie können wir sie begreifen, wie ihre Charakterzüge klar ins Auge fassen, damit sie uns nicht weiterhin dominiert? Eine solche Realität hat einen eigenen Willen, der größer und mächtiger ist als jeder Einzelwille. Beim Terroristen handelt es sich um jemanden, der den eigenen persönlichen Willen an etwas weit Umfassenderes abgetreten hat.
Ein Charakterzug dieses unpersönlichen Willens ist der, dass er namenlos ist. Terroristen geben sich selten kund, und wenn sie dies doch tun, so im Namen einer Gruppe. Auch dann, wenn ein spezifischer Terrorist aufgegriffen wird, ist die Persönlichkeit des betreffenden Individuums gleichgültig. Im Allgemeinen ist die Identität der Opfer dem Terroristen ebenfalls egal – Betroffene können gewöhnliche Menschen auf dem Weg zur Arbeit sein, eine U-Bahn im Berufsverkehr oder Passagiere auf einem kommerziellen Flug. Auch das Hauptziel Attentäter des 11. September war das, was sie für die Wesenlosigkeit des US-Amerikanischen Kapitalismus hielten. Das Mittel zum Verüben einer Terrorattacke ist stets den Waffen des Chaos und der Anonymität untergeordnet. Anonymität brütet Gewalt aus. Man sieht sie heraufkochen im Verschmieren von Wänden und wie sie unter der Oberfläche in Schulen schwelt, in denen die Individualität auf der Strecke bleibt. Die Städte, die wir im Namen der Zivilisation bauen, bestehen aus gesichtslosen Gebäuden, eintönigen Einkaufszentren, landesweit identischen Ladenketten.
Da wir in der Massenanonymität leben, stecken wir im Terrorismus schon voll darinnen, und die offene terroristische Handlung macht nur in gewalttätiger Weise das sichtbar, was wir bereits leben. Wenn solche Taten begangen werden, empfinden wir Schock, Entsetzen und Ekel, aber wir beziehen diese Gefühle nicht auf die fortlaufenden Bedingungen unseres Lebens.
Als Beispiel hatte ein Teilnehmer an einer unserer Workshops Folgendes zu sagen im Hinblick auf einen bestimmten Terrorakt:
Der terroristische Bombenanschlag, der an einem Bus in Israel verübt worden war, löste in mir eine emotionale Reaktion aus. Ich sah die Fotos des Anschlags im Fernsehen, und ich weiß noch, wie ich von Schock überwältigt wurde sowie vom körperlichen Gefühl, als wäre ich in den Bauch geschlagen worden und hätte den Atem verloren. Die Sinnlosigkeit des Ganzen, die verschwendeten Menschenleben, die Ungerechtigkeit, die Falschheit, die Verrücktheit der Welt schrien mich an, und ich erinnere mich daran, den Raum verlassen zu haben und spazieren gegangen zu sein. Ich ging etwa eine halbe Stunde und bis ich nach Hause zurückkam war mir das Ereignis aus dem Bewusstsein entschwunden.
Ein weiterer Workshop-Teilnehmer sagt:
Es gibt so viele von diesen Geschehnissen, dass man den Überblick verliert und sie sich alle gleich anfühlen. Derselbe dumpfe Schmerz in jedem Geschehnis. Was kann man da machen? Man hält einfach fest, man lässt nicht zu, dass es einem zusetzt, man lacht sogar darüber hinweg. Die Chancen sind so gering, dass es einen selber treffen könnte, und die Welt fühlt sich heutzutage sowieso mieser an. Erzähle mir mal etwas Neues.
Reaktionen dieser Art sind ganz verständlich. Es gibt nicht viele Menschen, die mit dem fortdauernden Gefühl des Terrors leben können. Hier ein Beispiel eines Menschen, der die Realität des Terrors noch lebhafter erlebt:
Als ich diese Nachricht vom Terroranschlag vernahm, ging mein Körper in einen Schockzustand über: in meinem Falle tritt dabei ein Zustand der Paralyse auf, in dem ich zwar mit meinem alltäglichen Leben fortfahre, aber bei mir in der Brustregion, hinter dem Brustbein, in die Lungen und das Herz hinein, eine Versteifung stattfindet. In diesem Fall empfand ich einen totalen Stillstand, als hätte alles zu funktionieren aufgehört. Es war so, als müsste ich mich an das Atmen, an das Schlucken erinnern, als hätte sich in diesem Teil von mir ein Loch aufgetan. Mir ist in solchem Zustand, als dürfte ich mir das Fühlen nicht zulassen, da es zu gefährlich ist. Wann immer ich in mir das Fühlen dann doch zulasse, fühle ich den unglaublichen Kummer, den Eltern empfinden, wenn ihnen ein Kind stirbt. Ich schwanke hin und her zwischen dem Gefühl von Wut gegenüber dem Mörder und Angst.
Diese Reaktionen auf die Gegenwart von Terrorismus zeigen, wie durch die Gesichtslosigkeit unserer Welt diese zu einem Ort geworden ist, in dem man sich versteckt, um dem schrecklichen Schmerz auszuweichen, der sich daraus ergibt, dass man selber das Leiden eines anderen Menschen zu tief empfindet. Was uns allerdings dabei unbekannt bleibt, das ist, dass indem wir uns in der Anonymität der Welt verstecken, wir selbst zu just der Gesichtslosigkeit beitragen, von der die nihilistische Vorstellung des Terrorismus unterhalten wird. Und genau diese Art der Unterdrückung ist es, die der Angst die beste Gelegenheit bietet, die Seele zu infiltrieren.
Es mag wie eine Überforderung scheinen, den Terrorismus genau ins Zentrum der modernen Zivilisation zu stellen. Was kann ein einzelner Mensch tun angesichts eines Problems von globalem Ausmaß? Einzeln können wir zwar sehr wenig tun, um dem Terrorismus Einhalt zu gebieten. Aber jeder von uns kann mit der Art arbeiten, wie sich die Seele auf den Terror einlässt, den sie selbst produziert. Die Benommenheit, die mit der Tandem-Realität von Terror und Anonymität einhergeht, ist ein Zustand der Seele, nämlich eine Art Abspaltung des Seelenlebens vom Leben des Körpers. Die Folge dieser Art der Abspaltung zeigt sich in den obigen Beispielen. Unser Fühlen stumpft ab, Zynismus herrscht vor, und unser Intellekt arbeitet daran, uns davon zu überzeugen, dass uns der konkrete Terror nicht treffen kann. Bei der eigentlichen Arbeit, die es hier zu verrichten gilt, geht es darum, die Teilnahme der Seele am Leib bewusst aufrechtzuerhalten. Das ist eine andere Arbeit als die, von der das vorherige Kapitel dieses Buches handelt, in dem es hauptsächlich darum geht, der Amnesie der Sinne entgegenzuwirken. Im Falle des Terrors müssen wir eine anders geartete seelische Arbeit ergreifen.
Leib und Seele sind nicht so sehr als zwei grundverschiedene Wesenheiten anzusehen, sondern eher wie zwei Seiten eines Blattes. Der Leib ist der Ausdruck der Seele in der Welt, und wenn der Leib abgestumpft wird, so hat die Seele nur beschränkte Mittel, auf die Welt einzugehen. Man hat es hier mit äußerst subtilen Angelegenheiten zu tun. Woran merkt man, dass das eigene Seelenleben vom Leibesleben mehr oder weniger abgekoppelt worden ist? Der Grad der Verfestigung in unseren Ansichtsweisen ist ein Anhaltspunkt dazu. Bin ich intolerant? Neige ich zum Fanatismus? Bin ich gegen dringend anstehende Veränderungen? Empfinde ich es als Notwendigkeit, mich der Macht der Autorität anzupassen?
Insofern als man solche Charaktereigenschaften in einem selbst feststellt, wird man wahrscheinlich auch in der eigenen Körperhaltung Verfestigungen finden. Der Weg, Flexibilität zur Seele und zum Leib zurückzubringen, ist über den Pfad der Imagination. Wenn man gezielt eine lebendige Vorstellung der subtilen Tätigkeit des Körpers ausbildet, so ist das eine bewusste Durchdringung des Leibes durch die Seele. Bernard Lievegoed etwa, der holländische Unternehmensberater, schlägt eine Reihe imaginativer Vorstellungen vor, bei denen man übend die Aufmerksamkeit auf die Prozesse des Leibes richtet.[2] Der Zweck eines solchen Übens ist es, die Fähigkeit zu entfalten, den eigenen Leib als lebendige Tätigkeit zu erleben anstatt als ein statisches Gebilde oder als eine Zusammensetzung physiologischer Vorgänge. Diese imaginativen Übungen, sofern sie regelmäßig gemacht werden, wecken uns zur tatsächlichen Gegenwart von Angst auf, ohne uns aber zu überfordern. Es folgt die Beschreibung einer solchen Übung:
Jeden Tag für etwa fünf Minuten solltest du dich von allen Gedanken, Tätigkeiten, Sorgen frei machen. Schließe die Augen und tue das Folgende:
1. Fokussiere erstens auf ein inneres Bild deines physischen Seins. Empfinde wie die Schwerekraft im Gewicht deiner Glieder wirkt. Denke an eine Zeit, zu der du krank warst, oder zu der du von einer langen Wanderung nach Hause zurückkehrtest - oder an irgendeinen Anlass, bei dem du die Schwere deines Körpers empfunden hast. Besinne dich auf die Kristallisationsprozesse des Leibes; erinnere dich daran, wie du aufgewachsen bist, wie flexibel dein Körper einmal war und wie er allmählich steifer wurde.
2. Richte deine Aufmerksamkeit auf die Flüssigkeitsvorgänge des Körpers. Stelle dir die Kräfte des Blutes vor, indem es vom Herzen nach außen fließt, in den Gefäßen verlangsamt wird und in den Kapillargefäßen beinahe zum Stillstand kommt. Mache dir ein inneres Bild davon, wie sich dein Blut wieder in kleinen Strömungen sammelt, die immer schneller und schneller fließend zum Herzen zurückkehren und in einen Wirbel in der rechten Herzkammer hineinverschwinden. Stelle dir den ersten Anstoß vor sowie auch den Stillstand im Wirbel beim wieder Eintreten ins Herz. Stelle dir vor, wie die Flüssigkeiten in den Magen und den Dünndarm hineinfließen und vom Dickdarm wieder aufgenommen werden. Diese Bewegung gleicht der Ebbe und Flut des Ozeans. Stelle dir vor, wie die Lymphe langsam den Körper durchwandert, die Zellen umfließt und in aller Stille sich mit dem Blutstrom wieder vereint. Stelle dir vor, wie die Gehirnflüssigkeit in die Zerebralhöhle hinaufsprudelt, das Gehirn und Rückenmark badet und die Wirbelsäule hinunter wieder aufgenommen wird.
3. Stelle dir vor, wie die Luft in die Lunge eintritt und lebenspendend auf tausende von Luftsäckchen verteilt wird. Dann stelle dir vor, wie du die aus dem ganzen Körper eingesammelte Kohlensäure wieder ausatmest. Stelle dir vor, wie die Kohlensäure in die Luft wieder zurückkehrt und von den Pflanzen und Bäumen aufgenommen wird, die ihrerseits Sauerstoff abgeben.
4. Empfinde die Innenwärme deines Leibes. Die höchsten Temperaturen kommen in den Verdauungsorganen vor, die niedrigsten in der Haut und den Gliedmaßen. Mache dir ein Bild davon, wie von deinem Körper Wärme ausstrahlt. Stelle dir einen Zustand der Begeisterung vor und wie dieser Zustand in körperliche Wärme übergeht, welche wiederum den Körper leichter macht und Ermüdung überwindet.
Diese Vorstellung des eigenen Leibes fasse man als den Elementarleib auf – als unseren Leib aus Erde, Wasser, Luft und Feuer. Indem wir diese Bilder in uns zur Entfaltung bringen, knüpfen wir eine Beziehung zu den Elementarwesen der Welt. Was noch wichtiger ist: Solches Üben bildet einen Sinn für die Interkorporalität aus, nämlich wie wir mit anderen Menschen und auch mit dem Kosmos in intimer Verbindung stehen. Die Seele atmet von dem tiefsten Punkt in uns in die entferntesten Fernen der Welt hinaus.
Hier einige kurze Beschreibungen davon, welche Wirkung diese Übung auf einige Workshop-Teilnehmer hatte:
Ein paar Tage nachdem ich diese Übung ausgeführt hatte, war ich dabei, in einen Eimer Wasser hineinzugießen und wurde von dem Erlebnis überrascht, das darin bestand, dass ich vom Wasser gebannt wurde. Ich konnte nicht anders, als stehen zu bleiben und das Wasser eine Weile anzuschauen. Auch als ich an einem Fluss entlangging, empfand ich das Wasser als Erweiterung meines Leibes.
Ich nahm in neuer Weise die Dinge um mich herum wahr. Ich betrachtete die Möbel und sonstige Gegenstände mit großem Interesse für die Art, wie sie hergestellt wurden sowie für die Eigenschaften des Holzes beziehungsweise des Gesteins. Farben und die Pflanzenwelt waren ebenfalls für eine Zeit nach Ausführung der Übung ausgesprochen strahlend.
Die Arbeit daran, ein Vorstellungsbild der elementaren Eigenschaften des Leibes zu machen, erfüllte mich mit einem meinen Leib durchwebenden, durchziehenden Gefühl der Liebe. Ich empfand Devotion für meinen Körper und war mit Dank erfüllt. Allein schon andere Menschen anzusehen erfüllte mich mit EhrAngst.
Es ist nicht leicht nachvollziehbar, dadurch Terrorismus verhindern zu können, dass man in dieser Weise die Aufmerksamkeit auf den eigenen Leib richtet. Man bedenke aber, dass es hier darum geht, in welcher Weise die Seele auf die Gegenwart von Terrorismus in der Welt reagiert sowie um das Sichern der Gesundheit des Seelenleibes. Solche Anliegen sind nicht selbstsüchtig. Vielmehr zielen sie darauf ab, den entmenschlichenden Wirkungen des Terrorismus entgegenzuwirken, die nämlich weit bedrohlicher sind als die Todesfälle, die solche Handlungen bewirken. Terrorismus wird eine viel weniger wirksame Macht sein, wenn wir es nicht zulassen, dass wir von der Angst befallen werden.
Die Beschleunigung der Zeit
Nehmen wir an, ich befinde mich ein einer Großstadt wie etwa New York. Wenn ich mich in den Central Park hineinbegebe, so verändert sich die Zeit. Sie ist von größerer Dauer, hat einen langsameren Schritt. Verlasse ich den Park wieder, so verändert sich die Zeit erneut, sie wird in der lebhaften, lärmenden Straße wieder schneller. Die Änderung in unserem Zeitgefühl – dahingehend, dass sich die Zeit beschleunigt – ergibt sich aus einem Ungleichgewicht zwischen Dauer und Tempo.[3] Die Dauer nimmt ab, das Tempo nimmt zu. Nicht nur hat sich das Tempo erhöht, sondern dessen Charakter ist auch anders geworden. Zwar hat ein organisches Tempo einen Rhythmus, aber wenn wir zum Beispiel jeden Werktag in der Stadt, mit deren ständigem Auto-Verkehr zubringen, so beginnt der Rhythmus unseres Gangs in zunächst kaum bemerkbarer Weise das Tempo der um uns herum befindlichen mechanisierten Dinge nachzuahmen.
Ein hoher Berg mag wohl zeitlos erscheinen, aber auch die Dinge der Alltagswelt haben eine eigene Dauer. Es gibt die Dauer des Tages, die Dauer einer verblühten Pflanze, die Dauer einer jeden Jahreszeit. Wir sind es, die das Tempo mit ins Spiel bringen. Wir steigern den Schritt, geraten in Eile, haben zu viele Dinge zu tun, versuchen soviel wie möglich in einem Tag unterzubringen. Das uns innewohnende organische Tempo wird vom Rhythmus des Herzschlags bestimmt und erhält unser Gleichgewicht mit der Welt aufrecht. Ein Leben im hektischen Alltag der Großstadt verwandelt dieses organische Tempo in den mechanischen Schritt der Maschine und den krampfhaft zuckenden Rhythmus der elektronischen Welt. Durch die Allgegenwart von Computern, Faxgeräten, von dem Internet, den Handys, dem Email und der globalen Kommunikation hat sich das Tempo des modernen Lebens bis zur Unkenntlichkeit beschleunigt.
Was haben solche Veränderungen in der Menschenseele angerichtet? Die Seele braucht die zeitliche Dauer – üppige, dickflüssige, tiefe, samtene Zeit – und sie gedeiht am Rhythmus. Die Seele lässt sich nicht hetzen, nicht bedrängen. Sie muss sich die Ereignisse langsam einverleiben, sie wiederkäuen und so sie zu ihren eigenen Erfahrungen machen. Wenn die Seele stattdessen in rascher Folge mit Ereignissen von geringer Tiefe bombardiert wird, dann tritt eine andere Art der Angst in die Seele ein. Diese Angst erleben wir als „Die Zeit wird knapp“, eine Redensart, die Ausdruck einer Realität der Seele ist. Es ist, wie wenn die Zeit, in der die Seele lebt, eine Flüssigkeit wäre, die aber erdrückt wird. Wenn der Seele die Dauer und das Tempo entzogen werden, verliert sie die Fähigkeit, sich in der Welt auszudrücken. Wir leben in temporaler Angst, als stünden wir kurz davor, irgendein plötzliches Ende zu finden.
Die von uns erlebte Beschleunigung der modernen Welt ist etwas ganz Anderes als die normalen Ausdehnungen und Zusammenziehungen der Zeit. Letztere finden dann statt, wenn wir stärker im Einklang mit dem natürlichen Rhythmus des Tages leben. In der Regel gilt, dass wenn ich etwas tue, was ich liebe, die Zeit schnell vergeht; wenn ich mich hingegen langweile, scheint sie zu kriechen. Wenn ich etwas tue, was ich liebe, habe ich mich selbst – mein eigenes Tempo – mit dem vereint, was ich tue, und die Zeit scheint sich schneller zu bewegen. Wenn ich etwas tue, was ich nicht mag, scheint sie unendlich lang zu sein. Dieses natürliche Verhältnis zur Dauer und zum Tempo wird durch den Schritt des heutigen Lebens auf den Kopf gestellt. Heutzutage entschleunigt die Zeit gar nicht, wenn ich etwas tue, was ich nicht liebe, sondern es gibt nur mehr zu tun, was schneller gemacht werden muss: alles Tempo und keine Dauer. Dauer ist tatsächlich vorhanden, aber statt Liebe zu sein ist sie voller Grauen. Wir scheuen uns davor, das Grauen zu erleben; könnte es doch auf den Verlust des eigenen Arbeitsplatzes hinauslaufen oder darauf, dass unsere Arbeit nicht das Widerspiegelt, was wir mit unserem Leben machen möchten. Es kommt so weit, dass wir nur an der Oberfläche der Zeit leben und die Dinge so ihre Tiefe verlieren. Es kann vorkommen, dass wir viele Ereignisse des Tages durchleben und dabei gar nichts erleben, da die Seele keine Gelegenheit hatte, die Ereignisse von verschiedenen Gesichtspunkten auf uns wirken zu lassen, wie wenn man einen Gegenstand in der Hand umwendet. Die Seele braucht Raum, um die Ereignisse des Tages Revue passieren zu lassen; ihre verschiedenen Tonqualitäten zu erlauschen; sich auf das zu besinnen, was hereinströmt; mit einem Ereignis ein- und auszuatmen und ihm so seine Wesenhaftigkeit und Lebenswichtigkeit zu entnehmen. Wovor sich die Seele im tiefsten Kern fürchtet, das ist, sich nicht an der Welt entwickeln zu können. Sie fürchtet, vom Leben außen vor gelassen zu sein.
Es gibt außer der „Verstromung“ der Zeit auch weitere Aspekte des modernen Lebens, die unsere Erfahrung der Dauer verringern. Drogen wie etwa Speed, Kokain oder Crack wirken sich radikal auf die Erfahrung der Zeit aus. Kokain und Crack steigern den Grad des Stoffwechsels. Ist der Stoffwechsel hoch, so wird die Zeit tatsächlich als verlangsamt erfahren. Kinder haben einen höheren Stoffwechsel als ältere Menschen, und deren Wahrnehmung der Zeit ist stärker von der Dauer geprägt. Ältere Menschen, deren Stoffwechsel langsamer geworden ist, erleben einen viel schnelleren Verlauf der Zeit. So gesehen versuchen jene Menschen, die Crack und Kokain konsumieren, den Wirkungen einer Welt entgegenzuwirken, die immer schneller wird. Diese Drogen haben aber auch einen Einfluss auf das Nervensystem, und so sind die Auswirkungen im Ganzen recht unterschiedlich. Das Einnehmen von Speed hingegen – einer völlig unnatürlichen Substanz, die stärker das Nervensystem beeinflusst als den Stoffwechsel, was eine Beschleunigung der Zeit bewirkt – kann man als den Versuch ansehen, das Problem dadurch zu lösen, dass man noch schneller rennt als die beschleunigte Zeit selbst.[4]
Ein dritter Aspekt der durch die Beschleunigung der Zeit verursachten Angst ist das Phänomen der Gefühllosigkeit. Die kalte, harte und schnelle Gefühllosigkeit verleitet uns dazu, die Menschen zu beurteilen, ohne dass wir uns die Zeit genommen haben, deren Situation zu verstehen. Wenn Konzerne ein Downsizing durchführen, verlieren hunderte, ja tausende von Menschen von einem Moment auf den nächsten ihre Stelle, und zwar aus keinem anderen Grund, als damit die Kostensenkung als Profiterhöhung in der Bilanz erscheint. Es wird sich für langfristige Lösungen keine Zeit genommen. Es geht hier nicht darum, den Konzernen die Schuld zu geben für die Änderung in unserer Beziehung zur Zeit, sondern darum, zu beschreiben, wie diese Änderung in der Welt manifestiert. Hier einige weitere Beobachtungen von Seiten eines unserer Workshop-Teilnehmer, der in einem großen Konzern arbeitet:
Mit den obersten Managern in meinem Abteil geht es selten länger als zwei Jahre. Das führt zu einem ständigen Zustand des Umbruchs, was für mich bedeutet, dass ein Großteil meiner Arbeit darin besteht, neue Manager darin auszubilden, worum es bei uns in der Firma geht. Wir verbringen so viel Zeit damit, diejenigen zu belehren, deren Aufgabe es ist, „aufzuräumen“, als über die Zukunft nachzudenken.
Schon immer genossen unsere Produkte wegen ihrer hohen Qualität ein hohes Ansehen, aber je größer wir werden, umso mehr leidet die Qualität unseres Produkts. Das ist äußerst schwierig, denn die Menschen hier sind sehr stolz auf ihre Arbeit. Wir hören nichts anderes als „schneller und billiger“, und zwar mit dem Anspruch gekoppelt, dass die Qualität dabei nicht ausgehöhlt wird.
Alle möglichen neuen Initiativen und Ankündigungen werden ständig von oben herab diktiert, und meistens lösen sie sich nach ein paar Tagen in nichts auf. Diejenigen, die diese Initiative ernstnehmen, steigern sich in sie hinein bis dahin, dass sie Schäden anrichten, um nur ein paar Tage später herauszufinden, dass die Initiative keinen mehr interessiert. Der Manager muss Prügel einstecken, Ruhe verströmen und wohlüberlegte Antworten von sich geben können. Die Fähigkeit, warten zu können, ist äußerst wichtig.[5]
Wenn das Herz aus unseren Handlungen ausgeschaltet ist, manifestiert die Zeit als Gefühllosigkeit. Gefühllosigkeit nicht anderen, sondern der Erde gegenüber – ihren Geschöpfen, ihren Bäumen und Pflanzen und Tieren – kennzeichnet die im Geschwindigkeitstaumel gefangene Welt. Es geht schneller, einen Wald zu vernichten, als in ihm zu bauen; es geht schneller Gebäuden abzureißen, als sie sorgfältig wieder instand zu setzen; es geht schneller, Chemikalien in den nächstbesten Fluss oder die nächstbeste Müllgrube zu kippen, als Geld und Zeit aufzuwenden, um sie zu nützlichen Zwecken wieder aufzubereiten.
Die Grausamkeit einer Zeit, die ganz Tempo und Wiederholung und nur wenig Dauer enthält, zeigt sich auch in unserem Alltagsleben. Wir haben keine Zeit wirklich zuzuhören; mitten im Telefongespräch schalten wir unseren Freund auf Anklopfen. Wir werden ungeduldig, während unsere Kinder von ihrem Schultag berichten. Wir haben fast keine Zeit, uns zurückzuziehen, kein Empfinden von unserem Zuhause als einem Zufluchtsort. Das einzige regelmäßige Erlebnis von irgend etwas Dauer-Artigem entnehmen wir dem Fernsehen. Hier verleben wir eine Art Monotonie der Dauer, denn vom Fernsehen fühlen wir uns nicht erholt und erfrischt, sondern ausgelaugt und müde.
Wir können einen Ausgleich schaffen zur zeitbezogenen Ängstlichkeit sowie zum Grauen, das einem Zeitempfinden ohne Räumlichkeit entstammt, wenn wir die eine oder die andere Form der Meditation aufgreifen und regelmäßig üben. Jeder, der schon einmal Meditation geübt hat, wird die bemerkenswerte Flexibilität des Zeiterlebens dabei gewahr. Wenn zum Beispiel eine Meditation gut verläuft, kommt einem eine halbe Stunde wie bloße Sekunden vor; verläuft sie nicht so gut, können sich wenige Minuten wie Stunden ausnehmen. Eine Meditation, die unsere Zeiterlebnisse vertiefen und bis in unser alltägliches Leben hineinwirken kann, braucht nach der Uhr nicht mehr als etwa fünf bis zehn Minuten pro Tag. Längere Meditationen können uns allmählich von der Welt abziehen, da es vorkommen kann, dass wir dadurch die spirituellen und kosmischen Welten verlockender und ansprechender finden, als die irdische.
Jede Meditationssitzung sollte darauf abzielen, das Bewusstsein mit einem einzigen Gedanken oder aber mit einem Bild zu erfüllen. Der Gedanke bzw. das Bild sollte ein gewöhnliches Objekt darstellen, wie etwa eine Papierklammer, zu dem der Meditant keine besondere Beziehung hat. Dann kann man dieses Objekt mit allen Eigenschaften umkreisen, die zu ihm dazugehören – es ist aus Metall, es ist länglich-rund, es hält Papierblätter zusammen usw. Vermutlich wird man zunächst in Worten über das Objekt nachdenken. Übend kann man sich aber in die Lage bringen, das Vorgestellte auch ohne Wörter wahrzunehmen. Nach weiter fortgesetztem Üben ist es, als würde das Objekt sich selbst denken – wobei man nicht zulassen sollte, dass sich die Meditation wie eine freie Fantasie von alleine verläuft; man braucht beim Meditieren ein stets klares Bewusstsein.
Nachdem man für einige Minuten so meditiert hat, besteht der nächste Schritt darin, die Konzentration auf den Gedanken restlos zu tilgen und dann so lange wie möglich in einer völligen Leere zu verharren.
Beim Meditieren auf ein Bild besteht die Aufgabe einfach darin, von einem beobachteten Objekt ein inneres Bild zu machen. Nicht bloß etwas einmal Gesehenes erinnern, sondern einen tatsächlichen Gegenstand finden – einen Kiesel, einen Bleistift, eine einfache Pflanze – und ihn für ein paar Minuten betrachten, dann sich ein inneres Bild dieses Gegenstands machen. Das innere Bild soll nicht zu ausführlich und auch ohne Verzierung sein; es soll der äußeren Wahrnehmung exakt gleichen. Man stabilisiere dann das Bild und halte es ein paar Minuten. Dann gilt es, nachdem man das Bild eine Weile gehalten hat, es zu löschen und in der Leere zu verharren.
Solche Meditation hilft, die Dauer wieder wahrnehmen zu können. Im gedanklichen Meditieren auf den Gegenstand gehen unsere Gedanken zunächst von einem Aspekt desselben zum nächsten, und im bildhaften Meditieren fokussieren wir von einem Aspekt des Bildes zum nächsten. Mit fortgesetztem Üben beginnt es sich so anzufühlen, wie wenn der ganze Gedanke resp. das ganze Bild auf einmal da ist. Wir betreten in dem Fall nicht die Zeitlosigkeit, sondern die Dauer. Es wird uns nach und nach möglich, sämtliche Aspekte des Gedankens bzw. des Bildes auf einmal zusammenzuhalten, anstatt dass man von einer Eigenschaft zur nächsten wechselt. Solch eine Erfahrung der Dauer ist anders als, sagen wir, auf einer Wanderung einen majestätischen Berg zu erleben. In der freien Natur werden wir in eine Situation hineinversetzt, in der die Dauer herrscht, und diese Situation genießen wir einfach. Im Ausführen dieser Übung arbeiten wir daran, die Dauer bewusst handhaben zu können. Wir bilden eine Kapazität der Seele aus.[6]
Diese Meditation sollte kurz sein, damit nicht die Pflichten und Verantwortlichkeiten des Lebens gestört werden. Solches Üben zeitigt keine dramatischen Resultate. Dessen Wirkungen ziehen wenn auch kaum merklich ins Alltagsleben hinein, und das erneuert – je nachdem, wo wir uns befinden und was wir tun – das Erleben der Dauer. Der wesentliche Teil der Übung ist, dass man überhaupt den Willen erzeugt, sie auszuführen. Minutenlang sich auf einen einzigen Gegenstand zu konzentrieren und dabei überhaupt nichts anderes eindringen zu lassen, erfordert ein Aufgebot an Willenskraft. Hat man das vollbracht, so muss ein zweites Willensaufgebot erfolgen, welches darin besteht, den Gedanken bzw. das Bild auszulöschen. Diese Willensanstrengung muss ebenso stark sein wie die, durch die der Gedanke bzw. das Bild erst geformt wurde.
Noch etwas, auf das es beim Ausführen dieser Übung zu achten gilt, ist das eigene Atmen. Zu Beginn ist der Gedanke bzw. das Bild nur dadurch aufrechtzuerhalten, dass man den Meditationsvorgang mit dem eigenen Atemrhythmus koordiniert. Allmählich sollte man es aber bis dahin bringen wollen, den Meditationsvorgang vom Atem zu entkoppeln. Unser Körper beteiligt sich sowohl an der Sphäre der Dauer als auch an der Sphäre des Tempos. Der Atem ist mit dem Tempo verknüpft; es geht uns aber in dieser Übung darum, die Erfahrung der Dauer zu entdecken.
Ein weiterer Aspekt dieser Art der Meditation besteht darin, dass das tägliche Ausführen derselben sie keineswegs leichter macht; ja sie wird eher schwerer. Es kann passieren, dass sie automatischer wird, aber wenn das eintritt, so ist das, was man dann tut, keine Meditation mehr, sondern ein bloßes Nachdenken über die Übung in der Vergangenheit. Jedes Mal, wenn du die Übung machst, ist sie ein Schöpfungsakt. Wenn ein echter Künstler ein Bild malt, so wird das darauf folgende Bild nicht leichter zu erschaffen, sondern schwerer – vorausgesetzt allerdings, der Künstler lässt sich in echt auf den schöpferischen Prozess ein, anstatt bloß Bilder zu produzieren. Auch Meditation ist eine Kunst. Wir nennen sie eine Übung, weil wir sie nie bemeistern können. Mir sind Menschen bekannt, die diese kleine Übung seit über zwanzig Jahren jeden Tag ausführen.
Wie arbeitet man auf die Reinigung der Seele hin? Zwar weiß jeder Mystiker und Seelensucher wohl, dass solche Arbeit unentbehrlich ist. Und doch ist die Idee einer Lauterkeit der Seele so gut wie verschwunden aus unserer Kultur. Diese Idee wurde nämlich so sehr mit negativen Vorstellungen belastet, dass sie tendenziell alles abwertete, was mit Genuss bzw. Vergnügen zu tun hat. Daraufhin wurde sie in eine Code-Sprache von Regeln und Bestimmungen übersetzt, und am Ende ging es nicht mehr um die Reinigung der Seele, sondern um deren Unterdrückung. Die primäre innere Arbeit der Seelenreinigung hat aber mit Unterdrückung nichts zu tun. Die Hauptarbeit besteht vielmehr in Wachsamkeit, in der Selbstbeobachtung des eigenen Seelenlebens. Zwar können wir nicht unmittelbar die eigene Seele schauen; wohl können wir aber die Art schauen, in der die Seele sich ausdrückt, zumal sowohl deren innere als auch deren äußere Ausdrucksweise.
Gewalt
Wir sind mit den vielen großen Ausdrucksformen überwältigender Leidenschaft vertraut: Krieg; Nationalismus; Erschießungen aus vorbeifahrendem Fahrzeug; von Gangs ausgeübte Gewalt; die Taten grollender, am Arbeitsplatz bewaffnet erscheinender Angestellter; Gewalt gegen Kinder, gegen Frauen, gegen alte Menschen; Erschießungen in Schulen. Diese Wut übt eine Wirkung auf die Seelen aller Menschen aus; ferner tun fällt es uns zunehmend schwer, die Wut im Zaum zu halten, die ohne Ursprungslos scheint und uns bisweilen unvorbereitet überkommt.
Es folgen drei verschiedene Beschreibungen von Wut-Erlebnissen dieser Art, die einem jeden vertraut sein dürfte. Jeder vermag, in sich solche Erlebnisse zu entdecken, die uns übrigens arg verschrecken können:
Bei der Arbeit vor wenigen Tagen fühlte ich einen plötzlichen, heftigen Anflug von Wut gegenüber meinem Bekannten. Ich hatte ihm erzählt, wie sehr mir ein Film gefällt, den ich gesehen hatte, und er hat mich postwendend „berichtigt“, wie er das öfters tut. Es hört sich wie eine Bagatelle an, aber sein Ton war spitz und seine Miene herablassend. Die Wut schoss mir in der Magengegend auf und fühlte sich zunächst heiß an, ging aber schnell in eine Empfindung der Kälte überging. In einer Kettenreaktion wurde mir der Magen kalt und das wiederum ließ mir das Herz hämmern und rasen zugleich, ließ mir auch das Bewusstsein herabdämmern. Der Bekannte machte grinsend eine Bemerkung über meine Verärgerung. Ich fühlte die reine Wut in mir emporkochen und brauchte ziemlich lange, bis ich mich davon erholen konnte.
Ich hatte neulich einen erstaunlichen Drang, meinen Kater zu treten. Obwohl ich der Meinung bin, dass er in Sachen Heiligkeit dem Dalai Lama in nichts nachsteht, kam mir dennoch der Gedanke: Wer würde es überhaupt mitbekommen, wenn ich ihm einen Tritt versetzte? Er ist alt und grantig und sein Gejaul war mir schon länger auf die Nerven gegangen. Ich hetze mich einen ab, komme sowieso schon zu spät zur Arbeit und der Kater maunzt mir die Ohren voll. Es war, wie wenn mein Bein ein Eigenleben gehabt hätte. Es hatte sich vorgenommen, eine bestimmte Bewegung auszuführen, und ich kam dagegen nicht an. Ich erinnere mich deshalb so gut an das alles, weil es absolut ausgeschlossen war, dass ich meinem Kater irgendetwas antue.
Meine beiden Kinder waren mit mir zusammen in der Küche. Ich hatte sie darum gebeten, mit ihrem Gezänk aufzuhören, aber sie machten weiter. Ich empfand auf einmal, wie mir heiß wurde, im Innern stieg mir die Temperatur. Mir hörte das regelmäßige Atmen auf. Das, was ich empfand, war sowohl Hitze, als auch eine in mir von der Taille bis zur Kehle heraufsteigende Kälte. Ich merkte, wie alles dort in der Mitte meines Leibes zusammenfloss: Der Kopf war mir heiß, das Herz kalt: der Lärm, das Gezänk, die Widerreden vereinigen sich. Mir klopfte das Herz immer schneller, ein Ton wie ein Grollen beginnt, erfüllt mich, und ich brülle wie ein Bär. Während all das vor sich geht, bin ich in meinem Körper zwar darinnen und sehe dennoch zugleich auch allem zu. Es war erstaunlich. In dem Moment wusste ich, dass ich weglaufen und die Situation vorbeigehen lassen muss.
Unsere Erkenntnisse der Menschenseele haben mit anderen Erkenntnisarten nicht mitgehalten, was zu einer radikalen Gleichgewichtsstörung geführt hat. Im Bereich der Emotion und der Leidenschaft verpönen wir es sowohl, wenn man sich von diesen Kräften überwältigen lässt, als auch wenn man sich zu ihnen hingezogen fühlt. Aus Sorge, dass uns die Leidenschaft überhaupt abhandenkommen könnte, haben wir das Bedürfnis, ihr immer näher zu kommen. Dabei verstehen wir aber, wie man sich ihr in rechter Weise nähert, und so kann es vorkommen, dass sie uns völlig übermannt, indem wir unwissend eine uns unsichtbare Grenze überschreiten und in die tosende Hitze der ungeformten Seele hineingestürzt werden.
In derselben Sekunde, in der gewalttätige Leidenschaften aus den Schützengräben fremder Länder, auf den Bildschirm, in den Hintergassen der Großstadt, von hinter den verschlossenen Türen des Hauses nebenan hervorquellen, werden wir alle von Angst befallen. Letztere kommt unter anderem durch Hyper-Erregung zum Ausdruck. Kann man nachts eine dunkle Straße begehen, ohne durch jedes noch so geringe Geräusch erschreckt zu werden? Fühlen wir uns nicht deswegen oft reizbar, nervös und verunsichert, weil wir den Ursprung dieser Gefühle nicht orten können? Wir empfinden eine ständige Ängstlichkeit, eine Angstsamkeit, die sich aber an nichts festmachen lässt. Vielen Menschen fällt es zunehmend schwer zu schlafen, was auf Beklommenheit, auf Schrecken hinweist. Unser Körper ist stets in Hab-Acht-Stellung vor lauernder Gefahr.
Ein weiterer Ausdruck davon, dass wir mitten in einer Welt leben, in der die Leidenschaft amokläuft, ist der Gedächtnisschwund. Die Erinnerung wird stärker bildorientiert, ikonischer, weniger worthaft, eher wie die eines Kindes. Diese Art des Erinnerns ermangelt der Details, der Nuancierung, des Kontextes und ist konkreter und literalistischer. Auch das Vorstellungsleben wird in Mitleidenschaft gezogen; wird fundamentalistisch, sie besteht in inneren Bildern anstatt in der Fähigkeit, komplex nuancierte Imaginationen zu bilden, die nicht nur Visualisierungen sind, sondern sämtliche Sinnesmodalitäten mit umfassen.
Worauf es jetzt wachsam zu sein gilt, das sind unsere Bilder. Wenn wir Bilder von Gewalt aufnehmen, Berichte darüber lesen, wie sie in der Welt zum Ausdruck kommt, Berichte von Mord und Zerstörung hören, so hat das eine starke Auswirkung auf die Seele, und zwar genau an der Grenze zwischen Seele und Leib. Die schrecklichen Gräueltaten, die wir in den Nachrichten aufnehmen, sinken in uns bis auf die Ebene des Körpers hinunter. Wir erleben eine Ängstlichkeit im Körper und leben so, wie wenn wir traumatisiert worden wären, ohne allerdings die uns tatsächlich zugestoßenen traumatischen Ereignisse immer orten zu können. Es kann vorkommen, dass wir selbst nicht nur über die eigene Wut staunen, sondern auch darüber, wie wir ohne Grund und ohne Weiteres kurz vorm Explodieren sind.
Um die Seele zu reinigen geht es zuerst um die Ausbildung der Fähigkeit, vor der Kraft der in uns zu findenden Wut sowie auch vor der Kraft des Hasses voll anwesend zu sein, und zwar ohne diese Kraft auf jemanden – nicht einmal auf uns selbst – zu richten. Wenn wir in der Lage sind, uns den Regungen eines tiefen Zornes zu stellen, so werden aus ihnen Bilder entstehen. Die Bilder sind in der Regel gewalttätiger Natur, wie etwa die Vorstellung, demjenigen etwas anzutun, der in uns selbst den Zorn provoziert hat. Wenn ein solches Bild erscheint, ist der Verzicht auf die Umsetzung desselben das Wichtigste, was man tun kann. Auch gibt es keinen Grund, zu demjenigen hinzugehen und ihm vom Zorn zu erzählen, den man empfindet; hat doch der andere Mensch höchstwahrscheinlich diesen Zorn nicht verschuldet. Der zweite Schritt auf dem Weg zur Reinigung der Seele besteht im Zusehen der Bilder. Man sichert so eine innere Wahrnehmung, die sonst rasch getilgt wird: die Wahrnehmung nämlich, dass das Auftreten dieser Bilder stets von tiefgreifender Angst begleitet wird.
Bei der Seelenreinigung geht es darum, mit der Hitze der Emotionen leben zu können und dabei negative Gefühle weder zu unterdrücken noch sie gegen andere Menschen zu richten. Reinigung ist eine Art Verbrennungsprozess. Sie ist eine innere Hitze, deren Herd – das Mittel nämlich, durch das sich die Reinigung vollzieht – das Gift selber ist. Dieser Gedanke, dass man mit dem Gift zugleich auch die Heilung findet, kommt im Buch The Zen Teaching of Bodhidharma zum Ausdruck:
Die drei Reiche sind Habgier, Wut und Täuschung. Diese drei Reiche zu verlassen heißt, von Habgier, Wut und Täuschung zu Moralität, Meditation und Weisheit zurückzukehren. Habgier, Wut und Täuschung haben keine eigene Natur. Sie sind auf sterbliche Menschen zurückzuführen. Und jedermann, der des Nachdenkens mächtig ist, kann nicht anders als zu sehen, dass die Natur von Habgier, Wut und Täuschung die Buddha-Natur ist. Jenseits von Habgier, Wut und Täuschung gibt es keine Buddha-Natur. In den Sutras heißt es, „die Buddhas sind nur dadurch zu Buddhas geworden, dass sie mit den drei Giften leben und sich vom reinen Dharma ernähren.
Alles, was in der Welt Wut ist wird, wenn die Seele auf sie eingeht, zum Gift in der Seele. Wird dieses Gift ausgelebt, so erzeugt das immer mehr Angst in der Welt. Wenn wir aber das Gift innerlich als eine seelengetragene läuternde Hitze innerhalb der Seele empfinden – und das ereignet sich dann, wenn es uns gelingt, unsere Wut und die ihr innewohnende Angst ins Bewusstsein zu heben – und sie festhalten können ohne sie auszuleben, so wirkt dieses Gift heilend.
[1] Charles B. Strozier, Apocalyse: On the Psychology of Fundamentalism in America (Boston: Beacon Press, 1994)
[2] Bernard Lievegoed, Der Mensch an der Schwelle, Freies Geistesleben 2012
[3] Um eine phänomenologische Beschreibung von Dauer und Tempo zu lesen, siehe J. H. Van den Berg, Things (Pittsburgh: Duquesne University Press, 1973).
[4] Ron Dunselman. An Stelle des Ich (Freies Geistesleben, 1996)
[5] Mein Dank gilt Charles Blum für diese Beschreibungen.
[6] Eine Reihe von Meditationen dieser Art findet der Leser in Georg Kühlewind, Vom Normalen zum Gesunden: Wege zur Befreiung des erkrankten Bewusstseins, Freies Geistesleben 2016.
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